Sonntag, 14. September 2014

Die Rückkehr des Kinderroboters


Mein ältester Sohn war ja einige Zeit in der Sommerfrische bei Oma und Opa und anscheinend hat sich meine Erinnerung verklärt, jedenfalls denke ich, mit einem 7-Jährigen wird man ja schon einigermaßen klarkommen. Mein geplantes Tätigkeitsprofil für ihn sieht so aus: mehrbändige Lesebücher für 2.-Klässler durchlesen (oder warum nicht gleich die Odysee?), sich leise ALLEIN beschäftigen, so dass ich gar nicht merke, dass er da ist, beim Einkaufen und Aufräumen helfen, mit mir kurz joggen gehen etc. Sein geplantes Tätigkeitsprofil für mich sieht so aus: Rund-um-die-Uhr-Bespaßung, ihn fernsehen lassen, so dass er gar nicht merkt, dass ich da bin, Essen reichen, ins Schwimmbad transportieren, Rollschuhe/Fahrräder/Skateboards holen, aktivieren, anschnallen, etc. Alternative wäre noch: zum Kindergeburtstag eingeladen werden. Schnittmenge: NULL! Er holt sich selbstständig das I-Pad und reagiert ungehalten, als ich den meiner Meinung nach raffinierten Trick anwende, das WLAN abzuschalten (Ich Volltrottel hatte angenommen, er würde denken, es sei defekt. Stattdessen rennt er direkt zum Router, hey, hast Du das WLAN ausgeschaltet? Und knipst es wütend wieder an). Auch als ich den zweiten Schwimmbadbesuch innerhalb von zwölf Stunden verweigere, ist die Stimmung schlecht. Man zieht sich wütend zurück und schaltet das Radio auf full power. Zum Glück bin ich gegen Lärm mittlerweile immun. Auch Versuche zur Güte, wie zum Beispiel gemeinschaftliches Pizzabacken, werden nicht begeistert aufgenommen, er versucht, den Teig roh zu essen, bis ich ihn auf dem Kleiderschrank in unerreichbarer Höhe deponiere. Alles ist Scheiße!
Doch irgendwann, wenn alles Scheiße ist und man den Fernseher ausschaltet, kommt die Inspiration! Angesichts des schmollenden Kerls werkele ich in der Wohnung herum und will eine Pappschachtel wegwerfen. „Mario, brauchst Du die?“ „NEIN! …. Ich brauche eine viel größere!“ Er geht los und sucht eine GROßE Pappschachtel. „Ich bastle einen neuen Kinderroboter.“ Ich kann mein Glück kaum fassen. Kinderroboter is back!!!! Mario holt eine große Windelschachtel und schneidet, malt, klebt, retuschiert. Das Ganze muss auf dem Balkon zum Trocknen. Wann ist der Kinderroboter endlich fertig???
„Du musst mir die Schachtel auf den Kopf setzen.“ Die kleine Schachtel, die ich doch nicht wegwerfen durfte, enthält das Ladegerät. Juhu! „Leider ist der Kinderroboter nass geworden. Kaputt!“ „Nein!“, antworte ich entsetzt. „Scherz! Er funktioniert immer noch!“
Er klebt sich ein Papier mit einem On/Off-Button auf den Unterarm, und endlich geht es los! Ich bestelle ihn nur noch rasch im Internet, schon klingelt es an der Tür, und er ist da! In fünf Minuten ist das Kinderzimmer, das seit drei Wochen Müll! Müll! Müll! schreit, komplett aufgeräumt. Dann wird es durchgesaugt. Deswegen liebe ich den Kinderroboter so sehr!
Sogar Timmy verwandelt sich in einen Roboter! Ich will nur noch Roboter, keine echten Kinder mehr! Der Kinderroboter 1 (Mario) will sogar mit mir joggen gehen. Er warnt mich ausdrücklich vor Kinderroboter 2 (Timmy). Egal! In meiner grenzenlosen Euphorie denke ich: Je mehr Roboter, desto besser. Wir schwärmen aus. Kinderroboter 2 verspricht: „Ich laufe bis zum Froschteich! Das ist ganz weit!“ Nun ja, ich hätte auf Kinderroboter 1 hören sollen. Denn sobald wir beim Froschteich sind, ist der Kinderroboter 2 defekt. Seine Batterien sind leer. Er fängt an, nach irgendwelchem ekligen Getier, schleimigen Wasserpflanzen usw. zu fischen und uns gelehrsame Vorträge darüber zu halten, während Kinderroboter 1 und Mamaroboter von großen Mücken zerstochen werden. „Siehst Du, Mama! Sagte ich doch!“, belehrt mich Kinderroboter 1. Jaja! Nur unter großen Mühen gelingt es uns, den defekten Kinderroboter 2 von seinen Aktionen abzulenken. Ständig entleert sich seine Batterie. Verdammt. Dann geschieht der Supergau. Auch Kinderroboter 1 ist defekt – das nutzt Kinderroboter 2, um den Sieg des Wettrennens zu erringen. Kinderroboter 1 ist stinksauer und bleibt vollständig auf der Wiese zurück.
Auf dem Weg nach Hause erreiche ich Papa-Roboter und Felicitas-Roboter, die sich aus irgendwelchen Gründen draußen herumtreiben. Wahrscheinlichste Mission: mich zu nerven. Der Felicitas-Spiderman-Roboter muss eine meterhohe Steinwand erklimmen, während der Timmynator irgendwo im Off verschwunden ist und Mario auf der Wiese herumschmollt. Mit Felicitas hole ich Mario zurück und treibe alle nach Hause. Erst mal duschen. Naja, ich kann ja Felicitas gleich mitnehmen und wir nehmen ein Mädelsbad. Optimistisch trage ich eine Schönheits-Maske auf (10 Minuten Einwirkzeit – klar, das schaffe ich nie!). …. Äh, hallo! Mädelsbad! Wieso sind plötzlich vier Personen in dieser Badewanne???? Naja, immerhin braucht man auf diese Weise nur ca. 3 Liter Wasser, bis die Wanne voll ist. Ich will hier raus!!! Das ist gar nicht so einfach, da sich sowohl der Duschschlauch als auch mehrere Kinder-Extremitäten um mich gewickelt haben. Mist! Plötzlich erscheint auch noch die Nase meine Nachbarin im Türspalt des Bades. Immerhin will sie nicht auch noch mit mir baden, sondern mir nur etwas sagen. Ok, wenn ich mich ranhalte, kann ich sie vielleicht noch aufhalten, so dass ich mit einer NNE (Nicht Nörgelnden Erwachsenen – dazu zählen weder ich noch mein Mann) reden kann, aber sie ist schon verschwunden. Mist.
Um halb zehn rufe ich eine Freundin an (NNE!). Misstrauisch fragt sie angesichts der Tatsache, dass sie mich tatsächlich versteht und die Affenkäfig-Hintergrundgeräusche fehlen: „Wo sind eigentlich Deine Kinder?“ Nein, ich habe sie wirklich nicht im Keller eingesperrt, tatsächlich schlafen ungewöhnlicherweise zwei von ihnen bereits. Nummer 1 hat sich zu Papa geschlichen, ich nehme mal an, sie schauen sich ein pädagogisch wertvolles Programm an, zum Beispiel, wie baue ich mir mit einfachen Mitteln einen Kampfjet. Aber egal! Ich genieße eine volle Stunde Ruhe! Als ich mir gerade die Zähne putze, höre ich Tapp-Tapp-Tapp. Felicitas ist anscheinend nach 60 Minuten Powernap der Meinung, es sei Zeit zum Aufstehen. Oder sie hat sich auch in einen Kinderroboter verwandelt und will staubsaugen. Am besten, ich wecke Mario und frage ihn, wo die Bastelanleitung für Schlafroboter ist! Der fehlt mir noch!