Donnerstag, 9. Oktober 2014

Ein ganz normaler Tag, den man nicht vor dem Abend loben soll

Heute erzähle ich einfach mal von einem ganz normalen Kinderprogramm. Ich hole die Kinder ab. Das Gespräch mit Timmys Erzieherin, die den Knaben über den grünen Klee lobt, insbesondere seine friedfertige Art („haut nie jemanden“), offenbart mir, dass anscheinend ein anderes Kind an seiner Stelle den Kindergarten besucht (Frage: was macht Timmy in dieser Zeit?). Nun gut, ich nehme den Jungen, den sie meint, mal mit. Wahrscheinlich tauschen sie irgendwann Identitäten, während „der mysteriöse Junge“ in den Büschen versteckt nach Heuschrecken und Schnecken stochert und ich mit Felicitas in immer länger werdenden Armen auf ihn warte. Aber schön – Felicitas klettert ganz gegen ihre Gewohnheit fast nicht auf dem Kinderwagen herum –, sie spurtet zur Garderobe und holt freundlicherweise sogar Timmys Sachen. Auf dem ca. 200 Meter weiten Weg haben wir eine kurze Krise, da Felicitas auf einen Spielplatz gehen will, was aber nicht geht, da wir noch auf Mario warten müssen. Die Krise steigert sich zu einem ausgewachsenen Wutanfall, nachdem ich auf die abwegige Idee kam, die Schale von Felicitas' Banane in einen Mülleimer zu werfen. Felicitas will auch keine neue Banane, sondern diese Schale! Oder vielleicht auch nicht! Man kann nicht heulen und denken gleichzeitig! Ich ziehe den Kinderwagen und versuche das schreiende Mädel da irgendwie festzukeilen.
Endlich daheim! Eine Flut von Kinderschuhen und Jacken ergießt sich auf den Boden. Halt, so nicht, meine Lieben! Bitte alles einsammeln und aufräumen! Kurze Zeit darauf kommt Mario nach Hause, er wirft die Jacke und Schuhe aber nicht auf den Boden, sondern gleich in einem weiträumigen Stillleben vor die Haustür – super. NÖRGEL!!!!
„Wie war es in der Schule?“
„Grmpf.“
„Hausaufgaben?“
„Grmpf.“
„Ich schau mal in den Hausaufgabenheft.“
„Nein, brauchst Du nicht….“
Sehr verdächtig, aber damit kann mich jetzt nicht beschäftigen, da Timmy Felicitas an den Haaren zieht und ich außerdem große Pläne habe: Ich mache Pizza! Als die Jungs das spitzgekriegt haben, versuchen sie große Stücke aus dem rohen Teig zu reißen und ihn aufzuessen (Warum füttere ich sie nicht einfach mit rohem Hefeteig, sondern habe die Zwangsvorstellung, dass man da irgendwas draus backen muss???). Schluss mit dem Schabernack! Mario wird weggepfiffen, Timmy darf den Teig ausrollen, während Felicitas mit großem Appetit die für die Pizza vorgesehenen Oliven vertilgt.
Dann sind alle Kinder plötzlich weg und ich belege fröhlich meine Pizza: „Erwachsenen-Pizza“ mit Zwiebeln und Oliven, „Mario-Pizza“ nur mit Tomatensoße und Käse, „Timmy-Pizza“ mit Salami ohne Käse und „Felicitas-Pizza“ mit Oliven und Käse – aber das muss allerdings sehr schnell gehen, da die nicht vorhandene Geräusch- und Kampfkulisse nur maximal 60 Sekunden lang unerforscht toleriert werden darf, sonst kann Schreckliches passieren. Ich höre Mario im Schlafzimmer poltern und die Worte „Erfindungen“ und „basteln“ und meine Alarmglocken schrillen – „Erfindungen“ und „basteln“ bedeutet im Wesentlichen, dass unsere Wohnung zerstört wird, indem Möbel auseinandergebaut und mit Tesa zu bizarren Formationen wieder zusammengeklebt werden. Ich tille umgehend aus und verbiete ihnen streng, das Kinderbett auszuleeren und umzudrehen oder die Gitterstäbe zu entfernen und als Schwerter zu benutzen und weitere wie auch immer geartete Aktionen, die sich mit den Worten „Erfindungen“ und „basteln“ umschreiben lassen.
Endlich ist die Pizza fertig. Das Ganze ist relativ gut gelungen, es gibt nur leichte Reklamationen wegen vorhandener ca. 1 mm großer Zwiebelfragmente in der von mir selbst zubereiteten Tomatensoße (JAJA! Super, gell!), die ich anscheinend nicht klein genug püriert hatte, als ich meinen Nervenzusammenbruch wegen unerlaubtem Extrem-Basteln hatte. Felicitas klettert zu mir hoch und klaubt die Oliven von meiner Pizza. Überraschenderweise essen alle brav und manierlich und ich denke, wir haben die Wohnung jetzt genug bearbeitet, wir gehen in den Garten. Die Jungs spielen/hauen sich und manschen mit dunklen Beeren herum, die sie auf ihrer Kleidung zu verstreichen versuchen. Als ich ihnen das verbiete, beschmieren sie Felicitas. Seufz… bitte auch Felicitas nicht anmalen.
Gegen 7 wollen mein Fitnesstrainer Timmy und ich laufen gehen. Leider heult dieser um 7 Uhr volles Rohr, aufgrund nicht näher eingrenzbarer Misshandlungen durch seinen Bruder. Gut, wenn der eine nicht will, nehme ich halt den anderen, der auch nicht will, mit. Als Fitnesspapst Timmy das hört, saust er plötzlich zur Tür hinaus und flitzt die Treppen herunter. Er kommt doch mit! Ich lasse von dem unwilligen Mario ab und rase hinterher. Also, ich finde, er übertreibt es mit den „Super-Attacken“. 37 Super-Attacken!!! Wie soll ich das schaffen? Timmy rutscht am Spielplatz die Rutsche herunter, während ich außenherum flitzen muss. Immerhin bekomme ich einen Tannenzapfen und drei Steine als Pokal, da ich heute zur Gewinnerin erklärt werde. „Timmy, ich glaub nicht, dass ich schneller war als Du.“
„Doch, doch! Darfst Du behalten! Du hast heute mal gewonnen!“
Gönnerhaft tätschelt er meine Hand. Anscheinend soll meine Motivation wieder ein wenig gesteigert werden.
19.40: Boff! Mit hängender Zunge komme ich heim. Ich versuche wieder mal heimlich zu duschen. Das ist so ein Spiel bei uns: Wie viele Sekunden dauert es, bis das erste Kind in Millisekunden ausgekleidet (oder auch nicht) bei mir in der Wanne sitzt. Verdammt, sie haben es bemerkt! Erst kommt Timmy, dann Mario, dann Felicitas. Mir ist die Lust vergangen, außerdem muss ich jetzt den feuchten Berg Kinderklamotten vor der Badewanne sortieren und neue Sachen holen. Idealerweise wäre ich auch selbst angezogen, aber Felicitas klettert schon wieder aus der Wanne und rennt nass davon. Schnell einfangen!
21.10 Die Jungs schlagen sich auf meinem Bett. Felicitas saust mit Puppe und Kinderwagen herum. Ich bin böse! Schlafenszeit!
21.21 Felicitas will Wasser trinken.
21.27 Felicitas will noch mehr Wasser trinken.
21.32 Felicitas will auf die Toilette.
21.42 Felicitas sitzt immer noch auf der Toilette.
21.43 Ihre Augen quellen leicht über, ein gutes Zeichen. Toll, wenn man keine Windeln mehr braucht.
21.44 Schade, nicht richtig getroffen. Ich putze die Toilette, wasche Felicitas und ziehe ihr neue Sachen an.
22.05: Hoppla, das ist aber spät geworden. Ich muss nur noch den Geschirrspüler ausräumen und die zweite Waschmaschine des Tages ausleeren und aufhängen.
22.17: Fertig!
22.26: Pum! Heul! Felicitas ist aus dem Bett gefallen und weint. Ich tröste sie. Schnüffel… wieso riecht es hier so komisch? Verdammt, irgendjemand hat hier herumgepieselt. Ich bin stinksauer und ziehe die Bettwäsche ab.
22.46: Ich höre meinen Mann mit Timmy debattieren. Ich hole Timmy und lege ihn in mein Bett, da schläft er bestimmt gut. Mensch, ich muss unbedingt mein Handy aufladen. Und meinen Computer checken. Eigentlich wollte ich auch noch Marios Büchertasche filzen, denn er hatte ja so komische Bemerkungen gemacht, dass ich da NICHT reinschauen sollte.
23.15: Ich geh jetzt doch mal ins Bett. Ich sinke müde hernieder und schrecke wieder hoch: Wieso ist es hier schon wieder so nass? Das kann ja wohl nicht wahr sein … Ich ziehe Timmy um und wieder Bettlaken ab.
00.00: Kann nicht schlafen.
5.00: Felicitas rumort im Babybett. Sie steigt aus und kommt zu mir. Kann es sein, dass dieses Kind auch nass ist??? Ich ziehe Felicitas um, ziehe das Bettzeug ab und mache die erste Waschmaschine an.
6.45: Selbstverständlich bin ich superfit und gut ausgeschlafen, mache leichte Dehnungsübungen und etwas Yoga, dann trinke ich einen Kräutertee und starte fröhlich in den Tag. GUTER WITZ! Ich bin platt wie eine Flunder, erschrecke vor meinem Spiegelbild und WEHE, ICH HÖRE JEMANDEN HERUMSTREITEN, HERUMGRÖLEN, HERUMGREINEN ODER HERUMFLENNEN! - Was ist dann? Na, dann kommt der nächste Tag.