Dienstag, 17. Dezember 2013

Die Scherenfrau und andere Kamikaze-Rituale



Heute war ich mit Felicitas draußen unterwegs, um Timmy abzuholen. Felicitas spurtet in ihren Gummistiefeln eifrig neben mir her.
Ein Mann, der in Begleitung seiner Frau einen Kinderwagen schiebt, spricht mich an.
„Na, wie alt ist denn die Kleine?“
„18 Monate.“
Er beginnt eifrig von seinem Neffen und dessen Gehversuchen zu erzählen.
„Na, Sie haben ja noch etwas Ruhe!“ sage ich und zeige auf das im Kinderwagen brav liegende Baby. „Ja, WIR schlafen auch durch von 8 bis 5. Dann trinken WIR unsere Milch und dann… “, plappert er munter weiter. Die Kindsmutter – ich nehme mal an, er hat das Kind nicht auch noch persönlich zur Welt gebracht, oder? – nickt artig dazu.
„Wir haben alles schon kindersicher gemacht“, fährt er voller Stolz fort. „Alle Schränke sind komplett gesichert!“
Ich bin platt und ein wenig neidisch. Gibt es sowas wie Eltern-Streber? Ehrlich gesagt haben wir es nie geschafft, die ganze Wohnung kindersicher zu machen…. Zum Glück. Denn so haben wir wenigstens einen kleinen Raum, der nicht wie ein explodierter Spielzeugladen aussieht, da (meist) keine Kinder reindürfen.
Felicitas stiefelt weiter, rührt mit der Hand in irgendwelchen Schlammteilen, die sie auch gleich mal probieren muss (=Nachmittags-Snack!). Vor dem Kindergarten setzt sie sich auf alle dort abgestellten Fahrrader und greint, als ich sie runterhole. Aber das geht ja noch. Das tägliche Treppen-Kamikaze-Ritual verabscheue ich wirklich aufs Tiefste. Das geht so: Erst eifrig an Mamas Hand die Treppe zu Timmys Gruppe hochstiefeln. Dann wird Timmy abgeholt und während ich ihn dazu zu bringen versuche, sich anzuziehen, rast Felicitas wie eine Teufelsmarionette ständig zur Treppe, um sich herunterzustürzen. Sobald ich sie loslasse, um Timmys linken Schuh zu suchen/seine herumgeschmissene Brotdose zu holen/seine Jacke aus dem Wust von Kinderjacken zu identifizieren/papierne Ermahnungen/Einladungen einzusammeln, rast sie los wie eine Besessene. Wenn ich Glück habe, wird sie vom Schirmständer abgelenkt, so dass ich einige Sekunden mehr Zeit habe, bevor sie mit einem Kinderschirm zum fechtenden Musketier mutiert. Kurz darauf erscheinen einige Fans. Mädchen sind da ja meistens relativ dezent, während Jungs ja immer gleich grapschen müssen (manche Dinge ändern sich halt nie!). Felicitas hat allerdings kein Problem damit, die nervige Meute abzuwehren. Sie hält Ausschau nach einem Tablett mit 20 Kinderscheren. Währenddessen schiebt Timmy die Krise und simuliert Schwierigkeiten beim Schuheanziehen. Ich packe Felicitas und versuche Timmy anzuziehen. Ich bin wieder mal schweißüberströmt. Es gibt ja auch Kinder in Felicitas' Alter, die ohne einen Piep von sich zu geben, brav in ihrem Buggy sitzen und warten, bis das andere Kind abgeholt ist. Oder sind das nur Puppen, damit ich mich ärgere? Genauso sehr wie über Timmys Kiga-Freund, der um 18 Uhr ins Bett geht!!!! Hallo, lieber Sandmann, nicht das ganze Schlafpulver woanders vergeuden!