Sonntag, 30. November 2014

Der Barbieschuh



Wenn ein Engelchen heute bei uns zum Fenster hereingeschaut hätte, hätte es einen normalerweise sehr coolen 7-Jährigen am Küchentisch sitzen sehen, der gerade eifrig in filigraner Handarbeit einen Barbieschuh mit zarten Riemchen bastelt. Ja, wie kommt denn das, lieber Mario?
Rückblende: Wir sehen zwei frenetisch exaltierte Jungen mit roten Köpfen dem Sofa herumhüpfen, kleine Fäuste und Füße rasen in atemberaubendem Tempo durch die Luft. Zwischen den kreischenden Jungs fliegt eine Barbiepuppe, zunächst noch mit Kleidchen und Schühchen bekleidet, durch die Luft. Gröl! Schrei! Lach! Barbie ist nackig! Jungs hauen sich mit der Barbie weiter, was mit nackter Barbie noch viel mehr Spaß macht!  
(Einschub zum Thema Barbie: Ist ja pädagogisch unter feministischen Aspekten wegen des Frauenbildes ein fragwürdiges Spielzeug. Felicitas bedeutete mir jedoch, sie sei gerne bereit, weiterhin mit den vorhandenen Legos, ferngesteuerten Autos und Dinos zu spielen, benötige aber zur Entwicklung ihres persönlichen Freiraums genau so ein Püppchen. Ich habe selber mit Barbies gespielt und würde sagen, antifeministische Züge in meinem gesellschaftlichen Gesamt-Kontext sind nicht auf eine Spielzeugpuppe zurückzuführen, sondern haben handfeste andere Gründe. Eventuell sogar politische. Hier ein Satz aus dem 21. Jahrhundert (sic!): „Der Volkswagen-Konzern setzt nach den Worten (des VW-Bosses) Winterkorns auf eine flexible Personalpolitik: "Wir halten viel von der sogenannten ,differenzierten' Quote. Das heißt: Wenn heute zehn Prozent der Maschinenbau-Hochschulabsolventen Frauen sind, dann wollen wir in den entsprechenden Bereichen auch mindestens zehn Prozent Frauen einstellen." (Das firmiert übrigens unter dem Label „Frauen sind die besseren Manager“ - kein Witz! http://www.focus.de/finanzen/zielstrebig-und-konsequent-vw-boss-winterkorn-frauen-sind-bessere-manager_id_4277685.html?fbc=fb-fanpage-finanzen). Hat der jetzt eigentlich zu viel oder zu wenig mit Barbies gespielt???  Auf jeden Fall: bitte-bitte nichts überstürzen, sonst bricht hier noch das totale Matriarchat aus - aber das nur am Rande, denn das interessiert unsere Prügelknaben natürlich auch nicht die Bohne.)
Was sie aber schon zu interessieren hat: Ich bin jetzt stinksauer! Denn jetzt sind die klitzekleinen Barbiesandaletten weg. Das ist das zweite Spielzeug von Felicitas` wenigen Privatspielzeugen, das innerhalb einer Stunde ruiniert wurde. Das andere war der Puppenbuggy. Ein megastabiles zusammenklappbares Teil, das genauso haltbar war wie ein echter. Jetzt ist einer der daumendicken Metallstäbe zerbrochen!!! Heilige Scheiße! Da weder ich noch mein Mann als Täter in Frage kommen, untersucht Sherlock Holmes jetzt mal die üblichen Verdächtigen, die natürlich alle leugnen. Felicitas selber fällt wegen mangelnder Muskelkraft aus, auch bei Timmy-Spargeltarzan ist unsere Vorstellungskraft doch etwas übermäßig strapaziert. Aber wie wäre es mit Mr. Habe-heute-wieder-einen-Viertklässler-im-Armdrücken-besiegt? Der darauf besteht, seinen 18 Kilo schweren Bruder zwei Kilometer stramm durch die Gegend zu tragen, einfach weil das so spaßig ist? In meinen Augen gibt es hier gewaltige Indizien, doch Mario ist auch eine ehrliche Haut und gibt Fehler normalerweise zu. Er war es ECHT nicht, sagt er. Anscheinend eine äußerst mysteriöse Materialermüdung. Oder Märchenerzähler Timmy hat ihm etwas ins Ohr geflüstert …. Oder es liegt doch daran, dass mir gerade grüner Rauch aus den Ohren steigt, denn langsam reißt mir hier der Geduldsfaden, besonders da das Gespringe und Gekeile trotz Mahnungen überhaupt nicht aufhört. Felicitas heult laut und zeigt auf die nackte Barbie, die nach wie vor zwischen den Jungs hin- und hergeworfen wird.
So meine Lieben! Ist mir jetzt egal, wer es war (Timmy ist so leise… Ist er vielleicht aus vom Hochbett draufgesprungen? Ich glaube, ich werde es nie erfahren.) Ich bin stinksauer! Diese Barbie wird sofort angezogen! Ihr sucht jetzt das Kleid und die Schuhe! Schnell! Sonst passiert was! (Zur Erklärung: Man müsste ja meinen, dass ein Barbiekleid und Barbieschühchen, die an einem konkreten Ort herumgeworfen worden sind, bei akribischem Suchen wieder auffindbar sein müssten, doch LEIDER lehrt die Erfahrung, dass Dinge innerhalb von  Millisekunden verschwinden, ja, meist tauchen sie sogar wieder auf, aber oft eben einfach JAHRE später, wie Timmys Piratenkopftuch, das Mario im Sommer 2012 (!) in meinem Kleiderschrank versteckt hatte und das wir seither vermisst hatten). Meine Drohung: absolutes und totales Medienverbot, bis Cinderella ihren Schuh wieder anziehen kann, klar? Panik ist angesagt und alle robben auf dem Boden herum, aber, hab ich’s nicht gesagt, ein Barbieschuh ist weg! Verschwunden! Vom Erdboden verschluckt! Schließlich suchen wir alle unter Zuhilfenahme von Taschenlampen das Sofa ab, aber weg ist weg.
Ich blicke auf den zertrümmerten Puppenwagen und bin hart. Barbieschuh! Wenn ihr ihn herumschmeißen könnt, könnt ihr ihn auch wieder finden. Selbst Sachensucher-Timmy, der normalerweise alles findet, ist hier überfordert.
Mario schlägt vor: „Ich bastle ihr neue Schuhe!“
Wir fragen Felicitas.
Felicitas ist einverstanden.
Ok, Barbieschuh-Man, es geht los!!!

Montag, 17. November 2014

Brauchen Kinder Kurse?



Es gibt ja heutzutage ein gewaltiges Angebot an Kursen für zukünftige Mütter, gewordene Mütter, Mütter und Kinder, Väter und Kinder, Großeltern und Kinder, Kinder an sich, Kinder mit Erwachsenen etc., von afrikanischem Trommeln über Extrem-Klöppeln bis hin zu rhythmisiertem Naturbasteln. Wird schon irgendeinen Sinn haben, oder? Ich muss sagen, dass ich mit großem Genuss feststellte, dass sich mit steigender Kinderzahl das ganze Brimborium für mich mental stark nach unten korrigierte.
Der erste Fehlschlag war „Schwangeren-Yoga“ am Ende der ersten Schwangerschaft. Also, im Gegensatz zu euphorisch gestimmten, superfitten Supermoms, die am Ende des 9. Monats noch einen Halbmarathon laufen und kurz nach der Geburt mit Zwillingskinderwagen losjoggen, sah mein Zustand im Großen und Ganzen so aus: gestrandeter Walfisch. Ein Walfisch, der kaum noch laufen konnte und sich sehr darüber gefreut hätte, wenn ihm in der S-/U-Bahn mal jemand den Platz angeboten hätte, aber hey, wir sind hier in Deutschland, wer Kinder hat, ist selbst dran schuld, am besten gleich lernen. Oder sich halt mit „Schwangeren-Yoga“ wieder fit kriegen. Also quälte ich mich zum Walfisch-Yoga. Lerneffekt: Es hat schon seinen Grund, warum wir in freier Wildbahn keinen Walfisch beim Yoga beobachten können.
Da ja noch zwei Schwangerschaften folgten: Vor weiterem Unsinn dieser Art bewahrten mich ja die vorhandenen Kinder. Zu derartigen Selbstversuchen war ich einfach zu platt. Vorsichtsmaßnahmen wie „keine schweren Sachen heben“ werden weiter eingehalten, 20 Kilo schwere KINDER fallen ja nicht darunter. 
Mario, Kind Nr. 1, kam noch in den Genuss von „Baby-Schwimmen“, d.h. er wurde mit Mamas und Papas und anderen Kinder mit fröhlicher und teurer Rundumbespaßung pädagogisch wertvoll ans Wasser gewöhnt. Die anderen wurden halt einfach von uns ins Wasser geschmissen, wenn wir es mal geschafft haben, ins Hallenbad oder zum See zu fahren, was vom logistischen Aufwand her den Urlaubsvorbereitungen für drei Wochen Sardinien bei einem Single entspricht.
Es stimmt, beim ersten Kind probiert man allen Kappes aus, die anderen dürfen sich freuen, dass den Eltern der ganze Unsinn schon ausgetrieben wurde. Jetzt kommt nämlich „Kinderturnen!“ Ich gestehe, ich fand es total super, teilnehmendes Kind Mario konnte sich allerdings meist schwer beherrschen, Begleitzwerg Timmy war kaum noch zu bremsen, so dass das Ganze eigentlich eher als Mamasport „Kleinkindeinfangen“ seine Berechtigung hatte. Ich sause, ich renne, ich klettere, ich trage, ich singe, ich spiele. Kinderturn-Kind Mario sitzt auf der Turnbank und schaut interessiert zu.
Das Ganze nahm dann zum Glück ein Ende, als ich zum dritten Mal schwanger war (non-yoga-Walfisch).
Jetzt war es wieder soweit. Nach gut zwei Jahren Abstinenz bin ich eingeknickt. Kinder müssen gut schwimmen lernen. Hat ja auch was für sich. Der Köder: Die einmalige Chance, dass es einen Kurs gibt, der immerhin 2 meiner Kinder abdeckt – ansonsten sind sämtliche Angebote altersmäßig derart filigran aufgefächert, dass es nicht möglich ist, zwei Kinder im Abstand von zwei Jahren gleichzeitig irgendwo unterzubringen (oder gar ein drittes - Drittkinder sind im System sowieso nie vorgesehen, daher vergessen wir das mal ganz schnell und begnügen uns mit dem verfügbaren Jackpot.)
Meinen beiden Schwimmbad-versessenen Jungs verkünde ich daher stolz: „Ich habe Euch zum Schwimmkurs angemeldet!“ Sohn 1 mault sofort und erklärt kategorisch, dass er für derartige Angebote nicht offen sei. Sohn 2 ist freundlicherweise total euphorisch. Ich erkläre Sohn 1, dass er da hinmüsse, komme, was da wolle (Brodel! Sei doch froh, dass Du da hindarfst!!!).
Vorbereitungen: Ich fühle mich sofort um Jahrzehnte jünger, als ich erfahre, dass beim Kurs „Badekappen“ strengste Pflicht seien. BADEKAPPEN!!! Das Wort gehört fast nicht mehr in meinen aktiven Wortschatz! Wo kriege ich solche Fossilien bloß her? Museum??? Tagesexkursion zu einem exotischen Fachgeschäft für Extremsportler? Oh Mann, zum Glück gibt’s Ebay!
Nach dem ersten Mal Schwimmen hat sich die Ausgangslage umgekehrt: Der einstmals schwer maulende Sohn 1 ist total euphorisch, der Sohn 2 total panisch/ängstlich/entsetzt/keine Ahnung, was er hat. Die hochmotivierte Teilnehmerin Felicitas muss brüsk in ihre Schranken gewiesen werden, bitte noch zwei Jahre auf der Bank sitzen! Ich meine, schön, dass mein sonst – wahrscheinlich wegen der frühen Kinderversuche mit ihm – von Kursen eher abgeneigter Sohn 1 endlich den besten Kurs seines Lebens gefunden hat! Und ich verfeinere die Kunst des „mit Engelszungen Redens“ bezüglich Sohn 2. Mir wachsen bald Toffifees aus den Ohren!
Der Schwimmkurs ist zum Glück bald vorbei, doch das nächste Unheil droht bereits am Horizont: Sohn 2 will in den Fußballverein, was Sohn 1 strikt ablehnt. Oh mein Gott!

Messer, Gabel, Schere, Licht …



Ich hab mir bei der Versorgung meiner Familie mit supergesundem Gemüse, das sie nicht wollen, böse in den Finger geschnitten. Schaut echt fies aus, es hilft auch keine Neu-Interpretation durch mehrmaliges Betrachten: Ich muss zum Doktor. Ich hab Glück, ich kann quasi allein hin (also mit nur einem Kind, Timmy – die Tatsache, dass der Knabe den Kindergarten besucht, sollte nicht dazu verführen zu denken, dass er da auch sei, es gibt Klausurtage, Brückentage, Ferientage, Personaldingenskirchen-die-Kinder-nerven-uns-sowieso-jeden-Tag-also-heute-mal-ohne-Tage, etc. pp.). Also erst mal in netter Begleitung 45 Minuten beim Hausarzt warten. Die Ärztin: „Schaut echt bös aus.“  Timmy (gebannt auf die Wunde starrend): „Das sieht eklig aus.“  Da beide nicht über weitergehende Infos verfügen, was den Zustand meiner Hand betrifft, wächst in mir doch der Wunsch, mal jemanden zu fragen, der sich damit wirklich auskennt. Wo eine Handchirurgie ist, weiß die Gute allerdings nicht, Dr. Timmy verweist mich auf das nicht allzu weit entfernt gelegene Krankenhaus. Und da gehe ich nach kurzer Konsultation von Dr. Google jetzt auch hin. Dr. Timmy („Hab ich doch gesagt“) läuft gut gelaunt neben mir hier.
LEIDER fährt die sonst superzuverlässige U-Bahn wegen einer Störung erst mal auf absehbare Zeit gar nicht. Daher verlängert sich unsere Fahrtzeit von 10 Minuten auf gut eineinviertel Stunden im Bus, eingedost wie die Ölsardinen. Ich habe noch Glück, als ich meinen Platz einer recht schlanken Oma überlasse, rutscht sie flink zur Seite, so dass ich mit Timmy auf dem Schoß noch auf den schmalen 1,5 Personen-Sitz draufpasse; sonst werde der Kleine ja noch zusammenquetscht, sagt sie. Nett! Sie bespaßt sogar Timmy, der ihr dafür nette Details offenbart: „Meine Mama hat gepupst.“ Ich hoffe, ich habe mich verhört. „MEINE MAMA HAT DREIMAL GEPUPST.“ Schön, meine Ohren funktionieren noch! Ich schwitze und halte meinen kaputten Daumen nach oben. Die Laune ist schlecht. Mir ist heiß, ich hab Durst, mir ist langweilig … äh, ist das nicht eigentlich Timmys Part? Der ist aber nach wie vor bester Laune. Wir sind jetzt seit dreieinhalb Stunden unterwegs.
Das Krankenhaus, das wir in einem Halbtagesmarsch auf der Suche nach der Notambulanz durchqueren, findet er auch nicht schlecht, insbesondere die Automaten, aus denen flink und fleißig Schokoriegel heraussausen. Und ich? Gibt‘s hier keinen Kaffee, denke ich missmutig vor mich hin stapfend. Als ich endlich beim Doc bin, freut sich der Sohnemann schon auf den Anblick der ekligen Wunde und bringt sich in Position, um kein blutiges Detail zu versäumen. Er bekommt von der netten Schwester auch eine Spritze (zu Timmys Bedauern:„Da ist ja überhaupt keine Nadel dran!“, „nur für Wasser“, klärt die Schwester auf), mit der er unsere Wohnung durchnässen kann, während ich mich mit langweiligen Verbänden begnügen muss, die ich auf keinen Fall nass machen soll (So entwickeln sich Probleme!). Zwar will Timmy am liebsten wieder mit dem BUS nach Hause fahren, aber ich pfeife ihn zur U-Bahn, die freundlicherweise wieder fährt (ich hab nach fünf Stunden Exkursion Hunger, Durst, Langeweile…)
LEIDER muss ich zum krönenden Abschluss der Odyssee auch noch etwas einkaufen. Nach so vielen Stunden ist Timmys Bravseins-Tank restlos aufgebraucht, und das artige Wesen, das Stunden hinweg neben mir im Wartezimmer saß und brav sein Fußballheft studierte, hat sich in einen unkontrollierbaren Wirbelwichtel verwandelt, der chaotische Lautfolgen ausstoßend riesige Familien-XXL-Packs-Gummibärchentüten in seinen Pranken hält und nicht mehr loslassen will. Eine Oma stellt sich ostentativ daneben und beobachtet das Treiben. Mann, kann man nicht einmal seine Ruhe haben und damit meine ich nicht Timmy??? Ich befehle Timmy, die Tüten zuzulegen. Oma glotzt. Ich befehle Timmy wieder, die Tüten zurückzulegen. Oma schaut. Ich befehle …. Er legt sie zu meiner großen Überraschung wieder zurück. Allerdings greift er dafür nur noch weiter zu. Mann! Soll ich das alles kaufen? Was jetzt? Ich schaufle den Süßkram, der das Band entlangfluscht, mit meiner guten Hand dem Kassierer entgegen. Einer plötzlichen Eingebung folgend bitte ich ihn, das alles wieder zurückzulegen, kleiner Irrtum. Schnell weg! Der Freizeitspaß ist hiermit zu Ende.
Timmy – der seine Energien beim gemeinschaftlichen Verwüsten unserer Wohnung mit seinen Geschwister wieder in die richtigen Bahnen gelenkt zu haben scheint -  hat dem Doc gut zugehört: no sports, solange der Verband drauf ist. Daher schlägt er zum Ausgleich einen Gang im Stockdunklen zur Bibliothek vor. Coole Halloween-artige Nachtwanderung, so in dem Stil. Gut, trotz des Aussetzers im Supermarkt finde ich, das hat er verdient. Ich bin zwar platt wie eine Flunder, aber was soll’s, das bin ich ja immer. Abends teile ich daher die Kinder auf, d.h. ich nehme Timmy, den Rest muss mein Mann übernehmen. „Was, alle?“, stöhnt er. „Äh … ja.“ „Und was ist mit dem da?“ Ein Nachbarsjunge, der seinen Schlüssel vergessen hat, ist auch noch da. Der zählt aber leider überhaupt nicht, kläre ich meinen Mann auf, da brav/gehorsam/leise/nicht so wie unsere Kinder. „Sind also nur zwei, und Felicitas ist ganz klein, also bleibt nur noch Mario, und der ist ja schon groß und supervernünftig. Also bleibst Du sozusagen allein hier, während ich Timmy nehme! Tschühüß!“ Ich winke mit meiner großen Daumen-Hand und bin dann mal weg.

Freitag, 14. November 2014

Mithilfe im Haushalt!

Wie lernen Kinder? Das frage ich mich oft. Also, um präsize zu sein: Meine Frage lautet nicht: Wie lerne ich auf dem Ipad die tollsten Spiele herunterzuladen, youtube-Lieder herauszusuchen oder DVDs einzulegen, sondern so unliebsame Dinge wie Mithilfe bei der Hausarbeit?
Steter Tropfen höhlt den Stein? Repetitio est mater studiorum (sehr frei übersetzt: Nörgeln bis der Arzt kommt)? Schwierig, wenn ich mir die vielen Unterhosen, Jacken, Schuhe, Spielsachen ansehe, die auf dem Boden herumliegen. Viele Jahre Nörgeln haben es nicht gebracht.
Mein Mann musste früher um 4 Uhr früh aufstehen, und seinem Vater helfen, die Kühe zu melken. Die Zeiten und die Methoden waren hart! Sehr hart! Zum Glück für die Kinder haben wir keine Kühe. Das wissen sie leider nicht wirklich zu schätzen.
Ich habe schon oft von Kinderpsychologen gelesen, dass das elterliche Vorbild ja angeblich so superwichtig sei. Dezente Frage: Wie lange dauert das denn, bis es wirkt? Wenn ich Mario (7 Jahre) hochrechne: Sagen wir, er trägt seit 5 Jahren Unterhosen, die er herumschmeißen kann, dann hat er jetzt ca. 1825 Mal elterliches Vorbild/Belehrungen/praktische Übungen/nette & böse Worte etc. erhalten, dass diese Verhaltensweise nicht die korrekte ist. Wir rechnen noch bei Timmy (5 Jahre) 3 Jahre Unterhosenherumschmeißen (ca. 1095 Mal) dazu. Also ich glaube, ohne jetzt pessimistisch wirken zu wollen, ich werde die ersten Erfolge leider nicht mehr erleben. Und was ist mit Felicitas, werdet Ihr Euch vielleicht fragen? Felicitas findet, dass Unterhosen nicht auf dem Boden herumliegen und auch täglich gewechselt werden sollen. Einfach so. (Ist das so ein Männerding? Aber wieso kann das mein Mann dann ganz selbständig? Musste man sich vor dem Kühemelken die Unterhosen wechseln, um eine Geruchsbelästigung der empfindlichen Tiere zu vermeiden? Fragen über Fragen…)
Andere Sachen hingegen werden schnell gelernt. Zahnseide zum Beispiel. Soll man von frühestem Kindesalter an verwenden. Also werden flugs 5 Meter Zahnseide abgerollt und natürlich auch nebenbei 200 Blatt Toilettenpapier! (Frage: Nehme ich etwa 200 Blatt Toilettenpapier pro Sitzung??? Werfe ich sie neben die Toilette?... Ach ja, danke trotzdem dafür, sonst hätten wir ja Dauerverstopfung der Rohre.)
Oder dass das merkwürdige Kästchen, das sich manche Kinder vors Gesicht halten, Nintendo heißt und rasch angeschafft werden sollte, war in Nullkommanix klar. Die Kinder haben ebenfalls rasch gelernt, dass der direkte Weg (Mama fragen) oft nicht der schnellste ist, sondern man am besten gleich Opa aktiviert. Der kennt das Kästchen natürlich schon lange und hat auch eins davon zu Hause herumliegen (!).
Also, die derzeit gängige Empfehlung lautet: Lernen durch Erfahren der Konsequenzen. Nehmen wir dazu mal ein zugegebenermaßen etwas hypothetisches Beispiel: Mama sagt zum lieben Kinde: „Trödle nicht herum, sonst schließt der Supermarkt und ich kann Dir keine Bonbons mehr kaufen.“ Kind trödelt trotzdem (wie gesagt, hypothetisch), Laden ist zu, keine Bonbons. Kind lernt: Aha, ich muss mich beeilen, damit ich meine Bonbons bekomme.
Doch was machen wir mit den Unterhosen? Lassen wir sie einfach herumliegen, bis wir wie die Prinzessin auf der Erbse auf 2920 gebrauchten Unterhosen wandeln (Investitionsvolumen: ca. 3000 Euro, wenn wir Billig-Unterhosen nehmen) und darauf warten, bis ein Kind fragt, warum es hier so komisch riecht? Ich warne: Hier begeben wir uns auf sehr dünnes Eis! Wir Eltern sollten unsere Grenzen kennen und uns nie auf eine Wettbewerbssituation mit unseren Kindern im Ertragen von Unordnung/Dreck/Chaos einlassen, denn das Scheitern ist vorprogrammiert!
Die Wiederholungsmasche ist zugebenermaßen auch nicht wirklich der Knüller. Nervige Wiederholungen sind die Königsdisziplin der Kinder und ebenso das Ertragen derselben. Also, hier tritt ein rheumatischer Hobbyfußballer mit schwerem Übergewicht gegen die deutsche Nationalelf an! Aber natürlich: Dabeisein ist alles! (Moment, Ihr Lieben, ich mache kurz eine Pause, um ein paar Unterhosen einzusammeln.)
Vor kurzem dachten wir schon, wir hätten erste Erfolge, weil so wenige Unterhosen herumlagen. Das war aber, bevor wir das Sofa saubergemacht und die Polster abgenommen haben.

Freitag, 7. November 2014

Melk die Maus!

Ein Tag zum Mäusemelken. Es regnet Hunde und Katzen. Felicitas, meistens bestens gelaunt, greint den ganzen Nachmittag. Man gibt ihr Essen, sie greint. Man gibt Timmy Essen, er greint auch. Man gibt Timmy und Felicitas Puzzles, sie nehmen sie mit aufs Hochbett, werfen dann 98 Puzzleteile mit großer Begeisterung in alle Himmelsrichtungen, um anschließend darüber zu greinen, dass die Puzzleteile am Boden liegen. Dann greint Timmy, weil er von seinem älteren Bruder getriezt wird. Mario greint, weil Mama jetzt sehr, sehr böse ist. Timmy ist sowieso stinkbeleidigt und zieht Leine in den Garten. „Nimm bitte auch Deine Regenj….“ Tür schon zu. Was soll’s, denke ich ermattet. Kaum ist Timmy draußen, zischt auch sein Quälgeist hinterher. Felicitas greint, weil sie ohne Gummistiefel nicht mit darf. Probeweise setzt sie ihren Fahrradhelm auf. Sie holt auch noch ihr Laufrad. Ich sage: Gummistiefel. Und dabei bleibt’s. Grein! Grein! Grein! Zum Glück kommt gerade der geliebte Papa nach Hause. Als ich gerade erleichtert aufatmen will: Grein! Grein! Grein! Was ist denn jetzt schon wieder? Ich kann es einfach nicht mehr hören und ziehe meine Trumpfkarte: Felicitas, wir gehen in die Badewanne. Begeisterung riesig. Felicitas holt ihr Shampoo, woraus ich den vollkommen abwegigen und fehlerhaften Schluss ziehe, sie wolle ihre Haare waschen. Grein! Grein! Grein! Wieder raus! Grein! Grein! Grein! Ein nunmehr nacktes greinendes Kind mit gewaschenen Haaren will ohne Gummistiefel mit Fahrradhelm und Laufrad in den Garten. Was wollte ich damit noch mal erreichen???
Als die Jungs tropfnass sind, müssen wir sie irgendwann wieder hereinholen und trockene Sachen anziehen. Papa gibt Timmy einen stark klebenden Sirup, den dieser von ihm angefordert hatte. Dieser liegt nun in einer großen Lache um den stark klebenden Timmy herum auf dem Boden. Nina: Grein! Grein! Grein! Ich ziehe den Burschi zum dritten Mal an diesem Tag um. Die klebrigen Körperteile wasche ich trotz Protesten (grein!) im Waschbecken ab, denn eine Badewanne gibt es heute für niemanden mehr. Mario hat irgendwo in der Müllhalde, die mal unsere Wohnung war, eine Affenmaske gefunden. Er setzt sie auf, schleicht sich an Felicitas an und macht „WWWAAAAOOOORRRR“!!!!! Felicitas: GREEEEEEEINNNNNNN! (Kurze Zeit später: Felicitas hat die Affenmaske auf und geht zu Timmy: WWWAAAOOOLLLLLL!!!!! Timmy: Ich will auch die Affenmaske! Grein! Grein! Grein!)
In unserer Not sagt mein Mann, komm schnell, wir gehen einfach in unser Zimmer und lassen sie sitzen. Mal sehen, was sie dann machen. Ich flöte: „Wiedersehen, Papa und ich gehen jetzt Sex machen!“ (Achtung, liebe Zartbesaitete: Solche Sprüche haben wir von unseren Kindern!!!! Wir müssen uns von ihnen aufgrund des Einflusses der Schule ANDAUERND anhören, wer angeblich mit wem Sex macht.) Wir fläzen uns gemütlich auf die Bettcoach und schalten den Fernseher ein. Drei Sekunden später öffnet sich die Tür und die drei Schurken nehmen Anlauf und springen auf uns drauf. „Und, macht Ihr jetzt Sex?“ „Ja!“, behaupten wir müde. Alle drei schlingen sich völlig unbeeindruckt anaconda-artig um uns herum und starren auf den Bildschirm. Hat ja super funktioniert. Papa ist stinksauer und setzt zu einem leistungsstarken Vortrag über die Undankbarkeit dieser kleinen Menschen an… den Kindern macht das ja nichts aus, aber MIR! Schnell weg!
Ich bringe die Meute ins Kinderzimmer, d.h. ich versuche es: Wie kann das sein, dass sie in dieser kurzen Zeit DERART abgehaust haben!? Verdammt noch mal! Ich versuche wenigstens das Bett freizukriegen, d.h. erst mal muss es mir gelingen, die Türe zu öffnen, hinter der ein Riesenstapel von Kinderbüchern liegt, abgesehen natürlich von den immerhin nicht sehr sperrigen Puzzleteilen. Ich murmle böse Sprüche, in denen die Worte „Kinderheim“ und „Keller“ vorkommen. Psychische Folgeschäden oder Traumatisierungen sind nicht zu befürchten, denn erstens hört mir, sobald ich diesen bestimmten anklagend-jammernden Mama-Ton anschlage, eh keiner zu, außerdem sind die Kinder wieder zu Papa bzw. dem Fernseher zurückgerannt. Und ich such mir eine Maus, die ich melken kann. Irgendwo in dem Trümmerhaufen findet sich bestimmt eine.

Dienstag, 4. November 2014

Stressfreies Familienleben ist möglich!

 Dazu muss man nur einige einfache Grundregeln beachten:
1. Lassen Sie Ihre Kinder niemals in die Wohnung.
2. Gehen Sie niemals mit Ihren Kindern einkaufen.
3. Vermeiden Sie Konfliktthemen wie „Hausaufgaben“, „Geschwister geschlagen“ (na und?), „Kinderzimmer aufräumen“/„Wohnung verwüsten“/„Mithilfe im Haushalt“ (s. Punkt 1).
4. Trennen Sie Geschwister großräumig voneinander ab. Einmal sehen zu Gelegenheiten wie Geburtstag oder Weihnachten reicht vollkommen.
5. Geben Sie ihnen keine Spielsachen (s. Punkt 3).
6. Sehen Sie dringend davon ab, irgendwelche gemeinsamen Aktivitäten zu planen, die es von Ihnen verlangen, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu sein!
7. Verlangen Sie nie von ihnen, ins Bett zu gehen, Ruhe zu geben, sich in irgendeiner Weise nach Erwachsenenmaßstäben „vernünftig“ zu benehmen.
8. Stellen Sie einen großen Topf mit Süßigkeiten hin und schalten Sie den Fernseher an.
PEACE!