Die
Sonderausstellung über historische Modelle (wie ein spektakuläres Schiff aus
Silber), die wir uns ausgesucht hatten, ist für uns nichts, da man sich die
Objekte mühsam im ganzen Museum zusammensuchen muss, was mit vier Kindern im
Schlepptau etwas schwierig/unmöglich ist. Wir sehen uns einfach ein paar Teile
davon an, auf die wir gleich treffen, und lassen einfach den Rest, der noch so
herumsteht, auf uns zukommen. Dürer und Konsorten, gibt ja genug. Das ist doch
für meinen kunstbeflissenen Sohn einfach prima. Er hatte sich im Netz schon
einige Gemälde, die er sehr naturalistisch fand, angesehen. Also, das erste Objekt,
das wieder Interesse findet, ist ein ca. 20 Zentimeter kleines Modell einer
Schwangeren mit Baby darin. Mario findet sofort den Knackpunkt. Wer ist da
gestorben? Die war doch tot, oder? Das ist doch nur ein ganz kleines Modell. Nein,
die war tot! De facto muss ja mal jemand tot gewesen sein, um zu wissen, wie
das aussieht, beharrt er – was nicht von der Hand zu weisen ist … Meine
Freundin schlägt begeistert in die gleiche Kerbe. „Ja, das stimmt! Die
Mediziner haben sich das immer genau angesehen. Sogar heute noch kann man
seinen Körper der Anatomie vermachen, damit die Ärzte dann alles aufschnippeln
und untersuchen können.“ „OH MEIN GOTT!“
Mein Sohn,
begeisterter Comicleser, ist ein Meister darin, die Botschaft von Bildern zu
entschüsseln, und findet innerhalb von fünf Minuten noch Folgendes: eine heillose
Massenschlägerei (meine pädagogisch wertvolle Interpretation: Damals hatten sie
noch keinen Fernseher, also musste man einmal im Jahr mal etwas richtig Cooles
veranstalten). Eine ganze Armada von Heiligen, denen man die Köpfe
abgeschnitten hat; einen weiteren Heiligen, dem man das Auge aufbohrt – Mama,
was macht der Mann da? Verdammt noch mal! Schaut ja echt schlimm aus. Kann hier
nicht endlich jemand mal irgendwelche Blümchen, Engelchen oder Porträts
anschauen!? Wir gehen jetzt sofort in die Spielzeugabteilung!
Die liegt ganz
versteckt in einem Nebengebäude und wir sind wohl deshalb auch allein dort. Aber
auch das ist nicht das Wahre – keine Tablets, keine Computer. Naja, wir entdecken
aber eine wirklich schöne historische Schachtel mit der Aufschrift „Für brave
Kinder“, in die ein Tablet sehr gut hineinpassen würde (haha, die kann man
bestimmt nachbauen!). Die Jungs flitzen durch, kommen nach zwei Minuten wieder
und fragen, ob wir jetzt gehen. Auch Felicitas findet die bücherregalgroßen, aber
komplett rosa-losen Puppenhäuser, in denen keine Barbie sitzt, nicht so
prickelnd. Wir Erwachsenen bestaunen papierne Theaterkulissen. Meist von
Erwachsenen bedient, die Kinder durften aber die Rollen auswendig lernen. Geil,
gell! Was für ein Freizeit-Vergnügen! Werde ich mir gleich für die
Weihnachtsferien vormerken. Die einzige Attraktion, die alle flasht, sind die
Toiletten.
Ok, das war’s
dann. Wir gehen – schnell, denn irgendwie geht es nicht in meinen Kopf, dass
die Jungs außer ein bisschen Gemaule noch nichts Fürchterliches angestellt
haben – und das soll auch so bleiben. Einen Trumph haben wir noch: Bei unseren
Museumtickets war freundlicherweise ein Gutschein für jeweils ein Getränk in
einem Café in der Nähe dabei. Fröhlich begeben wir uns durch das Treiben in der
Fußgängerzone dorthin. Echt nett dort. Der einzige freie Platz befindet sich
neben einem Tisch mit einem älteren Ehepaar. Da bin ich mittlerweile ein wenig
misstrauisch, wie die auf so eine Kinderschar reagieren, aber es hilft ja nichts.
Außerdem bin ich diesmal vollkommen auf dem falschen Dampfer, denn diese
Menschen lächeln uns ganz freundlich zu („noch“ raunt mir mein Pessimismus zu).
Nein, sie sitzen
nur artig da und lächeln, und sie schenken uns obendrein sogar noch zwei
Gutscheine – anscheinend waren sie ebenfalls im Museum gewesen. Wie teilen wir
die jetzt auf? Wie wäre es mit zweimal Champagner für die Damen? „Zwei
Geschwister teilen sich ein Getränk“, ruft meine Freundin fröhlich. Ok, auch
eine Idee. Da ich kein Geschwister dabei habe und sie auch nicht, heißt das
wohl, dass wir den Blagen die Gutscheine überlassen.
Tja, was soll
ich sagen, das war eine gute Idee, denn die größeren Kinder laufen eifrig los
und holen sich ihre süße Plörre, während es meiner Freundin schwant, was sie
angestellt hat. „Das dauert keine fünf Sekunden, und dann fangen sie an zu
streiten, wie IMMER!“
Haha, bei uns
läuft das so: Felicitas überlässt Mario ihre Limo, weil sie schon genug hat. Ich
schaue gespannt auf die beiden anderen und auf die Uhr: nur eine Sekunde, dann
geht es los.
Freundin-Tochter:
„Mann, der trinkt immer so viel.“
Freundin-Sohn:
“Stimmt überhaupt nicht, Du!“ Er zieht wie ein Verrückter an seinem Strohhalm.
„Machst Du doch!
Hör endlich auf zu trinken, jetzt bin ich dran!“
„Nein!“ (Saugsaugsaug)
„Nein!“ (Saugsaugsaug)
„Maaaamaaa, er
hört nicht auf zu trinken!“
„Hör jetzt auf zu trinken, lass sie auch mal.“
„Hör jetzt auf zu trinken, lass sie auch mal.“
„Saugsaugsaug.“
(Kreisch)
„Komm, lass sie
endlich.“ (Resoluter Griff an die Limoflasche).
Tochter:
„Saugsaugsaug!“
„Hey, die trinkt
alles aus!“
„Stimmt ja gar
nicht, Du hast viel mehr getrunken!“
Usw.
Ich genieße den
sich entspinnenden Geschwisterstreit, für den ich nicht zuständig bin, muss
allerdings einen eher unspezifischen Nervenzusammenbruch mit lautem Geheule von
Felicitas ertragen (der sich ganz gewiss nicht als Spätfolge in frühem
Schlafverhalten äußern wird). Zeit zum Aufbruch, meine Lieben.
Die Jungs haben
sich aus drei dicken schwarzen Strohhalmen jeweils einen ca. 1 Meter langen
Monster-Strohhalm gebastelt, von dem sie ums Verrecken nicht ablassen wollen,
was in der vollen U-Bahn einen gewissen hypnotischen Effekt auf uns hat. Ich
kann nicht aufhören, auf diese Strohhalme zu starren, weil dieser in meinem
Kopfkino demnächst im Nasenloch oder Auge eines anderen Fahrgasts verschwinden
wird, bin aber zu willensschwach, um die Halme mit bösem Mama-Geblaffe einzukassieren,
da ja bislang noch nichts dergleichen passiert ist. Ja, und es passiert auch
tatsächlich nichts. Wahrscheinlich weil wir Mamas diese jetzt per
telepathischer Fernbedienung lenken. Puh, geschafft! Museum ist heil, wir auch.
Nachtrag zum
Thema Geschwisterstreit: Als wir schon längst ohne unsere lieben Freunde im Bus
in die Pampa sitzen, fällt Felicitas auf, dass sie geneppt wurde. „Ich will aber auch
so eine Limo.“ Wer zu spät kommt … dem kauft Mama noch eine gelbe Brause im Supermarkt.