Sohn Nummer 2 ist jetzt ein Schulkind! Seine Vorfreude
konzentriert sich hauptsächlich auf ein Objekt: die Schultüte, auch ZUCKERTÜTE
genannt. Die hat Mama schon gemeinsam mit ihm und Felicitas im Kindergarten
gebastelt, d.h. Mama hat sich an der Heißkleberpistole heiße Daumen geholt und
einen gemeinschaftlich ausgeschnittenen Fußballer daraufgeklebt. Wunderschön
ist der geworden und wurde auf dem Schrank (2 m Höhe) gehortet. Nach
jahrelanger Erfahrung mit Kindern wundere ich mich kein bisschen, dass der
Krepppapierrand irgendwie zerrissen ausschaut und repariere ihn ergeben mit
Tesafilm. Anscheinend wurde daran manipuliert, um den Inhalt zu checken. Wie
sie da hochgekommen sind, sind halt die Mysterien, über die ich mir den Kopf
nicht mehr zerbreche.
Was kommt da eigentlich rein in so eine Zuckertüte?
Idealerweise 5 Kilo Süßigkeiten! Da das Thema Schule ja für Kinder meist auch
einige Enttäuschungen mit sich bringt, fangen wir jetzt gleich mal damit an: Es
werden mit Sicherheit NICHT 5 Kilo Süßigkeiten, aber wir wollen immerhin mal
nicht knausern. Muss ich auch nicht, denn Timmy ist kein Geizkragen und die
anderen Geschwister werden ALLES an manipulativer Gehirnwäsche geben, um ihm
einen Großteil davon abzuschwatzen bzw. zu schlicht zu stehlen.
Was noch? Natürlich die von Mama heiß geliebten nützlichen
Sachen: Eine Wasserflasche – was eine Wissenschaft für sich ist, wie alle
Mütter wissen (bitte mal kurz googlen… ächz… wir sehen uns in zwei Wochen
wieder!). Sie soll dicht sein, keine Schadstoffe enthalten und idealerweise in
den Geschirrspüler BITTE! (Aber piano, wie immer: Das ist eigentlich egal,
sobald Ihr das ideale Teil gefunden habt, wird Euer Sprössling sie umgehend
verlieren… und die nächste auch … und die nächste auch… dann nimmt man eine
Zeitlang einfach Pfandflaschen, bis man wieder den Mumm gefunden hat, eine neue
Flasche zu kaufen – die Pflandflasche geht übrigens NIE verloren, sondern
taucht selbst nach sechs in der Schule verbrachten Wochen Sommerferien
mysteriöserweise wieder auf). Ein Paar Bayern-München-Socken. Ein Shirt mit
Flugzeugen drauf. Einen spacigen Spitzer, der aussieht wie ein Außerirdischer.
Radiergummis mit Clown drauf. Einen Fußball-Kuli! Einen WECKER! OH JA! Und
natürlich ein schönes Spielzeugauto.
Morgens drücken wir Timmy die Schultüte in die Hand, um dann
in der Aula dem hochinteressanten Diskurs der Rektorin und leicht dissonanten
Weisen älterer Schüler zu lauschen. An dem ganzen Schulevent ist für Timmy
natürlich nur eins interessant: WANN kann ich meine Schultüte öffnen? Doch
davon ist keine Rede! Alle Kinder dürfen nun mit ihrer neuen Lehrerin und den
Eltern ins Klassenzimmer. Dort angelangt stelle ich fest, dass mein Sohn grüne
Lippen hat. Anscheinend hat er vor lauter Verzweiflung in das stark färbende
Krepppapier der Schultüte hineingebissen … Letztendlich wird er noch einige
Stunden warten müssen, bis er wieder nach Hause kommt, um gemeinsam mit den
wartenden Geiern, äh plötzlich äußerst liebevollen Geschwistern die Schätze zu
lüften…
Ja, liebe Eltern, jetzt ein paar Worte an Euch zum Ernst des
Lebens. Worauf müsst Ihr Euch jetzt einstellen? In erster Linie auf Eure
Hausaufgaben, die in den ersten Schulwochen GEWALTIG sind. Rechnet mit drei
Kilo Papier mit Unterlagen, die Ihr unterschreiben sollt, einem Elternabend,
den Ihr mühsam einplant, der aber dann in letzter Sekunde auf eine noch
unchristlichere Zeit verschoben wird. Dann natürlich Grundschullehrer-Prosa mit
wortgewaltigen Anweisungen zum Kauf DES einzigen und wahren und glücklich
machenden Bleistifts und noch zwei Dutzend weiterer Dinge, die für den weiteren
Lebensweg Eures Goldkinds ENTSCHEIDEND sind. Alles stets mit Ausrufezeichen
versehen - weiß nicht, soll das einen Rohrstock für die Eltern symbolisieren,
wenn man doch den falschen nimmt? Ausrufezeichen! Bzw. drei Ausrufezeichen!!! Dosenspitzer!!!
Eure Sprösslinge schert das natürlich und auch schönerweise
null. Sie verschmeißen umgehend die in fünfstündigen Shoppingtouren sorgfältig
ausgewählten und zum Preis von purem Gold bezahlten Bleistifte,
vorschriftsmäßig mit Namen beschrifteten Klebestifte und hochqualitative
Radiergummis; atmungsaktive Hausschuhe verschwinden tonnenweise im Orkus.
Frühstücksboxen und Wasserflaschen werden von schwarzen Löchern automatisch
angesaugt, und falls sie wieder auftauchen, dann mit schwarzgrünlila schimmernden
Pilzkulturen, an die man sich ohne Schutzanzug auf keinen Fall heranwagen will.
Mit zwei Grundschulkindern und einem Neu-Kindergartenkind
gerät man schnell in einen Zustand, der sich als Vor-Wahnsinn beschreiben
lässt. Sportschuhe, Hausschuhe – plötzlich stellt sich heraus, dass zwei von
drei Kindern zwei Nummern größere Füße haben als noch vor vier Wochen. Welches
Kind hat wann noch mal Sport? Kunst? Was ist genau ein „kleinerer“ Schuhkarton
für Malutensilien? Wie klein ist „kleiner“? Aber ein Zeichenblock unbekannter
Größe soll ja auch noch rein? Ist das nicht doch „größer“? Wer war noch mal der
Knabe mit den Folienstiften? Permanent oder non-permanent? Wie viel Kopiergeld?
Warum muss ein Heftumschlag unbedingt „transparent“ sein? Beide Elternabende verschoben,
wann von wem noch mal wohin? Heiliger Bimbam, ich hab Sport und Kunst von Kind
1 und 2 verwechselt, um 6.30 noch mal umpacken. Ich bin jetzt derart bepackt,
dass ich Felicitas` Kindergartenordner wieder zu Hause lassen muss.
So! Jetzt aber schnell los! …. Äh, Felicitas streikt, weil ihre Blumenhose in der Wäsche ist und will auch überhaupt nicht in den
Kindergarten. Timmy hat plötzlich ein bizarres Ganzkörper-Ninja-Kostüm an!
Sofort ausziehen! Der andere meditiert seit 10 Minuten über den Schleifen
seiner Schuhe. Ich drehe jetzt gleich durch! ….. „Maamaaa! Meine Hand tut mir
weh, schau mal, was da ist…“ „Meine Haarspange ist weg!“ Timmy hat kein
Pausenbrot! Verdammt noch mal! Das kann ja heiter werden.
PS. Nach genau 8 Tagen Schule äußert Timmy den denkwürdigen Satz: „Mama, Du hast da
was falsch gemacht!“ „Was denn?“
„In die Zuckertüte kommen nur Bonbons hinein und keine
anderen Sachen.“
„Echt?“
„Ja. Das war ganz falsch.“
Also, jetzt wisst Ihr, was
in die Schultüte kommt.