Donnerstag, 23. April 2015

Ehe im Kinderreich



Also, ganz ehrlich, mit Kindern wird die Partnerschaft nicht einfacher. Insbesondere mit ein bisschen viel Kindern. „Das war doch Deine Idee.“ „Meine? Und Du?“ „Hätte nicht eins gereicht?“ „DU wolltest doch…“  „Nein, Du!“ „Ich will endlich mal SCHLAFEN, FERNSEHEN und CHIPS essen!“ „Ich doch auch!“ (plötzlich erscheinendes Kind im Hintergrund: "Wo sind die CHIPS? Hallo, habt Ihr gehört, kommt alle her, wir kriegen Chips!!!! Dürfen wir dazu noch FERNSEHEN?“ – „Kann ich dann lieber auf dem Ipad spielen?“ – „Ich will aber Lillifee!“ – „Lillifee ist TOTAL blöd!“ – „Nein! Du bist blöd!“ – „Du bist ein Wildschwein!“ „Paff! Peng!“ – „Timmy hat Felicitas geschlagen!“ – „Stimmt gar nicht!!!!“ „KREISCH! Stimmt doch!“ „Felicitas hat MICH an den Haaren gezogen!“ – „Das STIMMT! Felicitas hat Timmy an den Haaren gezogen!“ – „Stimmt gar nicht!“).
Ihr seht, solche Diskussionen solltet Ihr ganz dringend vermeiden! Deshalb führen wir solche auch niemals – schon aus Angst vor der Chips-Fernsehen-Diskussions-Lawine, die dann über uns hereinbrechen wird. … Abgesehen davon, dass das ein klein wenig an der Realität vorbeigeht. Aber gut, man kann sagen, bei Eltern von drei Kindern, die damit auch grundsätzlich sehr zufrieden sind, ist eine gewisse Realitätsferne ja durchaus angebracht.

Interessant ist auch folgendes Phänomen: Eigentlich ist Selbstkritik ja doch unter Erwachsenen gar nicht mal so selten, solange es nicht zu arg wird („bin zu ungeduldig, aber nicht cholerisch/unsportlich, aber nicht fett/unengagiert, aber irgendwie doch interessiert am Weltgeschehen“ etc.). Allerdings gibt es einen Bereich, der im Normalfall komplett ausgeklammert wird. Es gibt niemanden auf der Welt, der sich für doof hält. Selbst die größte Knalltüte unter der Sonne zeigt gern mit dem Finger auf eine – angeblich –  noch größere Knalltüte.

Bei Eltern ist hingegen stellt man doch eine gewisse Umkehr fest, ja geradezu eine Wettbewerbssituation zwischen den Elternteilen, wer die hohlste Nuss von beiden ist und dies auch noch glaubwürdig bekunden kann. Nein, ich bin zu doof, um den Überblick über all die Kinderorga zu behalten – oder gar einen Stift zu bedienen, um diese in den Familienkalender einzutragen, mach Du mal. Wie hieß eigentlich dieser Kinderarzt überhaupt? Was war dessen Sinn und Zweck noch mal? Äh, Du hast doch immer so schön dieses mysteriöse Salz in den Geschirrspüler eingefüllt, ich krieg das mit meinen linken Händen auf keinen Fall hin, mach Du mal. Waschmaschine? Da ist Wäsche drin? Ach so, muss einem ja jemand erst mal sagen. Ich dachte, die macht das alles allein. Keller aufräumen? Hab die Nummernkombination des Schlosses vergessen, mein Gedächtnis lässt auch immer mehr nach, geh Du bitte runter, ja und nimm bitte diese ganzen Kinder auch mit. Drei Stück sind es, glaube ich. Bleibe so lange unten, wie Du willst (bitte nicht unter zwei Stunden, sieht ziemlich chaotisch aus da unten). Wie kommt es eigentlich, dass diese Kinder ständig Geburtstag haben? Und andere Kinder auch noch? Wie jetzt, die brauchen ein Geschenk?

Ich muss sagen, das machen mein Mann und ich echt gerne! Ein super System zu absolut partnerschaftlicher Arbeitsteilung! Psychologisch auch schön: Beide sind zufrieden: Haha, wieder mal mit der Nummer durchgekommen! Bzw.: Ich lass ihn/sie mal in dem Glauben, dass ich ihm/ihr das abnehme – ist auch egal, machen muss ich es so oder so. Schöner Nebeneffekt: Bei den Kindern funktioniert das auch! Tja, Mario, sehr gerne würde ich Dir Deine komische Spielkonsole anmachen und Du dürftest auch mindestens zwei Stunden damit spielen, aber ich weiß gar nicht, wie das geht, das kann nur Papa!  – Kann ich doch selber! Jubel! – (Verdammt!) Äh, das Kabel ist weg, das hat Papa im Keller und die Nummernkombination ist mir jetzt gerade entfallen … /Du willst das 1000-teilige Puzzle zurück, dessen Teile die letzten sechs Monate hier herumlagen? Äh, keine Ahnung, wo das ist, das hat Deine Mutter versteckt – sie hat gar nicht gut geklungen dabei – und die ist nicht da!

Tipps von „erfahrenen“, aber anscheinend kinderlosen Psychologen hingegen sind für uns etwas schwierig umzusetzen. Gehen Sie mal zusammen aus! Bleiben sie ein pseudo-kinderloses Paar! Ich meine, ok, infolge der neuesten Kindergelderhöhung von 4 Euro pro Kind haben wir jetzt bald 12 Euro im Monat zum Versaufen, also 6 Euro pro Nase. Reicht leider nicht für eine U-Bahn-Fahrt in die Stadt PLUS Getränk, also heißt es fahren ODER saufen, aber liebe Eltern: wozu gibt es Aldi-Bier und Parkbänke? Oder gönnen Sie sich mal ganz experimentierfreudig einen Alcopop aus der Dose! Sehr verlockend  – aber bedauerlicherweise bräuchten wir zur Beachtung des Tipps nun einen Babysitter. 
Eine Anzeige zur Suche desselben würde ungefähr so aussehen: „Wir suchen zur abendlichen Betreuung unserer Kinder einen idealerweise leicht schwerhörigen Judokämpfer mit schwarzem Gürtel, der aber auch ganz schön kuschelig sein soll. Vorteilhaft wäre, wenn Sie über ein rosa Prinzessinnengewand und/oder ein grünes Froschkostüm verfügen würden. Ihre Aufgabe ist vor allem, das akute Kampfgeschehen zu reduzieren und die Verwüstung unserer Wohnung zu unterbinden. Star Wars-Schauen ist übrigens – auch wenn anderes behauptet wird – verboten. Die Kinder zum Schlafen zu bringen, wird Ihnen nicht gelingen und Sie werden unsägliche Qualen erleiden, aber trotzdem viel Glück!“ Tja, komischerweise klappt das irgendwie nicht.

Aber das geht auch anders! Man hat doch einen Ehepartner, der als kostenloser, einigermaßen erprobter und leidensfähiger Babysitter parat steht – also: ALLEIN ausgehen!!! Da kommt es meist zu einer fulminanten IQ-Steigerung und rasch sind die letzten 2634 familiären pädagogischen Top-Leistungen auswendig heruntergespult, Ehepartner nickt erschöpft, und schon geht`s los zum Elternabend! Es ist halt ein klitzekleines Manko, dass dort weder alkoholische Getränke noch Schnittchen gereicht werden und das Unterhaltungsprogramm auch als etwas ausbaufähig zu bezeichnen ist. Naja, dann denkt man sich den Caipi halt dazu, bei dem gemütlichen Ambiente aus buchenholzfarbenen Holzstühlen und -bänken und schlauen Lehrerkommentaren im Hintergrund fällt das ja nicht schwer. Aber es gibt da eine ganz fiese Falle: Das vergnügliche Beisammensein könnte beendet sein, bevor die Kinder im Bett sind. Das ist sogar relativ wahrscheinlich (ich sage nur Star Wars etc.). Und so kommt es auch. Drei Kinder sitzen gebannt vor dem Fernseher. „Wo ist eigentlich Euer Papa?“ Drei Zeigefinger zeigen auf das Sofa samt ermattet schlafendem Krieger. Wo ist eigentlich der Babysitter des Babysitters? Oder: Wer sittet hier wen?

Ach ja, Ihr fragt Euch jetzt: was machen wir dann mit den 12 Euro pro Monat bzw. 18 Euro ab 2016, nachdem es uns nicht gelungen ist, sie zu versaufen? Kommt es jetzt zum Äußersten und wir müssen sie den Kindern geben? Nein, meine Lieben, natürlich nicht. Die sind ja schon verplant für die Erhöhung der Kinderbetreuungskosten, die auch ein klein wenig höher ausfällt. Aber macht nichts, wenn wir die 18 Euro schätzungsweise 5-10 Jahre lang ansparen, haben wir das auch wieder drin. Und dann brauchen wir gar keinen Babysitter mehr und versuchen es einfach noch mal mit dem Versaufen. Versprochen, Herr Schäuble. Vorfreude ist die schönste Freude!

Montag, 6. April 2015

Väter und Söhne oder: Das Mädchenzimmer

Der reale Papa heutiger Zeit: von Ehefrau wird er gerne „mein 3./4. (oder beliebige andere Zahl einsetzen) Kind“ genannt. (Klar, ursprünglich haben wir mit ganz anderen Vorstellungen angefangen …).
Selbst in intaktesten Familien- und Eheverhältnissen träumt frau doch hin und wieder… alle zwei Wochen ein kinderfreies Wochenende… herumgammeln, ausgehen, ausschlafen, wie schön wäre das denn?
Welcher Kindergarten, welcher Sport, welcher Kinderarzt? Mama recherchiert, forscht, befragt andere Mütter, schläft mindestens drei Nächte nicht. Mann gefragt: Mach Du mal (Hauptsache, das Kind ist verräumt!).
Ach ja, noch ein Wort zum „großen Erfolg des Elterngelds für Väter“. Viele Väter nehmen ja auch zwei Monate Elternzeit. Juhei! Ein unglaublicher Erfolg der Familienpolitik, jubeln die Politiker aller Parteien unisono. Realitätscheck: Ungefähr 95% (geschätzt) nehmen diesen gleichzeitig mit der Mutter – um dann Marathontraining zu absolvieren, Boote zu bauen, Briefmarkensammlung zu vervollständigen, etc. pp. Es wäre durchaus interessant zu wissen, wie viele Väter ALLEIN Elternzeit nehmen – eine Zahl dazu ist mir nicht bekannt. Gefunden: Expertise „Vaterschaft und Elternzeit“ (im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Sonstige Unnütze Existenzen alias Senioren, Frauen und Jugend), die sich nicht zu dumm ist, an 60 Tagen begleiteter Fern-Kinderbegutachtung einen gelehrten Aufsatz mit drei Milliarden aufgeblasener Fremdwörter über die wichtige Rolle der Väter aufzuhängen, den ich leider deswegen auch nicht lesen will. Vielleicht tue ich dem Ganzen unrecht, aber das mach ich jetzt halt einfach mal.
Ja doch, die Männer fehlen. Sie fehlen in der Kinderkrippe, sie fehlen im Kindergarten, sie fehlen in der Schule. Wenn dort lustige Kurse angeboten werden à la „Wir gestalten den Schulgarten“ oder „Wir fertigen liebevolle Prinzessinnen-Gemälde für das Gebäude an“ statt „Kickboxen extrem“, „Knallharte Helikopter selbstgebaut“, oder „Male den Kampfcomic Deines Lebens“, dann braucht man sich nicht wundern, dass die Jungs nicht darauf einsteigen. Allerdings ist das absolut die falsche Frage. Ich kann nicht verlangen, dass Männer auch gleichberechtigt mit 50% einsteigen, wenn selbst die leidensfähigen Frauen diesen Job nicht mehr machen wollen/können. Mittlerweile bin ich über die Sportkurse ganz froh: Da treten noch echte Männer auf! Und heiliger Strohsack, das hört sich ja an wie ein Schwerverbrecher-Bootcamp – bei dem möchte ich ja nicht „entspannende Körperwahrnehmungs-Gymnastik für unsere Problemzonen“ machen! Aber für meine Söhne – sehr gut! Endlich spricht mal jemand eine Sprache, die sie verstehen! Und: Sie sind überglücklich und hochmotiviert dabei!
Aber sind wir nicht alle gleich? Gleichberechtigung und so? Nein, sind wir nicht. Wir sind nicht gleich und wir sind nicht gleichberechtigt. Man kann sich natürlich fragen, woran das liegt, dass sich Jungs so wenig für rosa Spitzen-Handtäschchen und Barbie-Pantoletten interessieren, ist aber im derzeitigen gesellschaftlichen Umfeld so (naja, sobald man sie jemandem wegnehmen kann, der dann heult, ist das natürlich anders!).
Einen zusätzlichen Schub erhält die Geschichte durch die extreme Uniformierung der Geschlechter – Mädchen in Rosa-/Rot-/Pink-/Lilatönen zu kleiden, Jungs in allen möglichen Tarnfarben, vermutlich befeuert durch den Wunsch der Industrie, Eltern, die sowohl Jungs als auch Mädchen haben, möglichst alles doppelt zu verkaufen. Unterhosen, Socken, Fahrräder, Shampoo - selbst Legobausteine gibt es in rosa Schächtelchen. Selbstverständlich begrüße ich die absolut megageile Perspektive, statt auf 1000 sogar auf 2000 herumliegende Legobausteine treten zu dürfen (die wohlgemerkt von meinen SÖHNEN herumgeschmissen werden). Schreibe ich mir gleich auf meinen nächsten Weihnachts-Wunschzettel. Der absolute Knaller allerdings war für mich das „Kids-Menü“ in einem großen Freizeitpark, zu dem es eine Spielfigur dazu gab. „Junge oder Mädchen?“, wurde ich gefragt. Äh… was ist denn das??? Na, das muss ich sehen, ich nehme beides. Also, das „Mädchen“ war ein (anscheinend männlicher) Violinspieler und der „Junge“ ein Ritter mit Schwert. Ich bin mir allerdings sicher, dass Felicitas
 ihren Geschwistern genauso gern den Kopf abschneiden will wie die anderen…. Tja, schade, aber hau ihnen halt eins mit der Klampfe auf den Schädel, geht doch auch.
Bedingt durch die Tatsache, dass ich als Erstes zwei Söhne hatte, ist mir die komplette Rosa-Beplüschung unserer Wohnung erspart geblieben (dafür habe ich ja den Lärm und den Dreck … äh genauer betrachtet finde ich rosa Plüsch eigentlich ganz klasse, der schluckt vielleicht auch ein paar Dezibel), und auch kleine Fluchten aus der radikalisierten Geschlechtertrennung sind immerhin möglich. Ich erinnere mich sehr gerne an die wilde Keilerei, die sich am letzten Muttertag für mehrere Stunden um ein Paar vererbte neonpinke Plastikclogs Größe 30 entbrannte - mit drei beteiligten Kindern, von denen kein einziges aktuell Größe 30 trägt, aber egal! Diese Clogs sind Dauertrend. Anscheinend sind die irgendwie cool (Es ist mir bekannt, dass ich keinerlei Kompetenz auf dem Gebiet des Coolseins besitze, daher hinterfrage ich dieses für mich mysteriöse Phänomen auch nicht). Unvergessen ist auch die künstlerische Installation „Barbie auf Baseballkappe“ (Klebearbeit), angefertigt von meinem Ältesten.
Aber vielleicht ist die Geschlechtertrennung genau das Richtige. Dachte ich mir eines genervten Tages und ernannte ein Zimmer kurzerhand zum „Mädchenzimmer“ (also für mich und Felicitas). Grundregeln: Hier ist Rülpsen und Furzen streng verboten, man darf nur mit gewaschenen Händen und geputzten Zähnen hinein. Selbstverständlich putzen sich alle Jungs hier die Zähne, reihten sich artig in die Schlange ein und wollten auf unseren Prinzessinnenbetten nächtigen. „Wir furzen nicht. Die ganze Nacht! Wir versprechen es!“ Nächster Versuch: „Mama, es gibt eigentlich keine Mädchenzimmer.“ „Doch, das gibt es. Geht raus zum Furzen.“ „Es gibt keine Mädchenzimmer, genauso wenig wie Mädchenfarben.“ Merke: Wenn die Jungs was wollen, was uns Mädels gehört, klappt das auch ganz schnell mit der Gleichberechtigung, gell…
PS: Hatte vergessen zu erwähnen, dass auch Schwertkämpfe im Mädchenzimmer verboten sind.
PPS: Ebenso Kickboxen.
PPPS: Würgen auch!
PPPPS: ….
Schnarch… pups…. Schnarch….