Sonntag, 30. November 2014

Der Barbieschuh



Wenn ein Engelchen heute bei uns zum Fenster hereingeschaut hätte, hätte es einen normalerweise sehr coolen 7-Jährigen am Küchentisch sitzen sehen, der gerade eifrig in filigraner Handarbeit einen Barbieschuh mit zarten Riemchen bastelt. Ja, wie kommt denn das, lieber Mario?
Rückblende: Wir sehen zwei frenetisch exaltierte Jungen mit roten Köpfen dem Sofa herumhüpfen, kleine Fäuste und Füße rasen in atemberaubendem Tempo durch die Luft. Zwischen den kreischenden Jungs fliegt eine Barbiepuppe, zunächst noch mit Kleidchen und Schühchen bekleidet, durch die Luft. Gröl! Schrei! Lach! Barbie ist nackig! Jungs hauen sich mit der Barbie weiter, was mit nackter Barbie noch viel mehr Spaß macht!  
(Einschub zum Thema Barbie: Ist ja pädagogisch unter feministischen Aspekten wegen des Frauenbildes ein fragwürdiges Spielzeug. Felicitas bedeutete mir jedoch, sie sei gerne bereit, weiterhin mit den vorhandenen Legos, ferngesteuerten Autos und Dinos zu spielen, benötige aber zur Entwicklung ihres persönlichen Freiraums genau so ein Püppchen. Ich habe selber mit Barbies gespielt und würde sagen, antifeministische Züge in meinem gesellschaftlichen Gesamt-Kontext sind nicht auf eine Spielzeugpuppe zurückzuführen, sondern haben handfeste andere Gründe. Eventuell sogar politische. Hier ein Satz aus dem 21. Jahrhundert (sic!): „Der Volkswagen-Konzern setzt nach den Worten (des VW-Bosses) Winterkorns auf eine flexible Personalpolitik: "Wir halten viel von der sogenannten ,differenzierten' Quote. Das heißt: Wenn heute zehn Prozent der Maschinenbau-Hochschulabsolventen Frauen sind, dann wollen wir in den entsprechenden Bereichen auch mindestens zehn Prozent Frauen einstellen." (Das firmiert übrigens unter dem Label „Frauen sind die besseren Manager“ - kein Witz! http://www.focus.de/finanzen/zielstrebig-und-konsequent-vw-boss-winterkorn-frauen-sind-bessere-manager_id_4277685.html?fbc=fb-fanpage-finanzen). Hat der jetzt eigentlich zu viel oder zu wenig mit Barbies gespielt???  Auf jeden Fall: bitte-bitte nichts überstürzen, sonst bricht hier noch das totale Matriarchat aus - aber das nur am Rande, denn das interessiert unsere Prügelknaben natürlich auch nicht die Bohne.)
Was sie aber schon zu interessieren hat: Ich bin jetzt stinksauer! Denn jetzt sind die klitzekleinen Barbiesandaletten weg. Das ist das zweite Spielzeug von Felicitas` wenigen Privatspielzeugen, das innerhalb einer Stunde ruiniert wurde. Das andere war der Puppenbuggy. Ein megastabiles zusammenklappbares Teil, das genauso haltbar war wie ein echter. Jetzt ist einer der daumendicken Metallstäbe zerbrochen!!! Heilige Scheiße! Da weder ich noch mein Mann als Täter in Frage kommen, untersucht Sherlock Holmes jetzt mal die üblichen Verdächtigen, die natürlich alle leugnen. Felicitas selber fällt wegen mangelnder Muskelkraft aus, auch bei Timmy-Spargeltarzan ist unsere Vorstellungskraft doch etwas übermäßig strapaziert. Aber wie wäre es mit Mr. Habe-heute-wieder-einen-Viertklässler-im-Armdrücken-besiegt? Der darauf besteht, seinen 18 Kilo schweren Bruder zwei Kilometer stramm durch die Gegend zu tragen, einfach weil das so spaßig ist? In meinen Augen gibt es hier gewaltige Indizien, doch Mario ist auch eine ehrliche Haut und gibt Fehler normalerweise zu. Er war es ECHT nicht, sagt er. Anscheinend eine äußerst mysteriöse Materialermüdung. Oder Märchenerzähler Timmy hat ihm etwas ins Ohr geflüstert …. Oder es liegt doch daran, dass mir gerade grüner Rauch aus den Ohren steigt, denn langsam reißt mir hier der Geduldsfaden, besonders da das Gespringe und Gekeile trotz Mahnungen überhaupt nicht aufhört. Felicitas heult laut und zeigt auf die nackte Barbie, die nach wie vor zwischen den Jungs hin- und hergeworfen wird.
So meine Lieben! Ist mir jetzt egal, wer es war (Timmy ist so leise… Ist er vielleicht aus vom Hochbett draufgesprungen? Ich glaube, ich werde es nie erfahren.) Ich bin stinksauer! Diese Barbie wird sofort angezogen! Ihr sucht jetzt das Kleid und die Schuhe! Schnell! Sonst passiert was! (Zur Erklärung: Man müsste ja meinen, dass ein Barbiekleid und Barbieschühchen, die an einem konkreten Ort herumgeworfen worden sind, bei akribischem Suchen wieder auffindbar sein müssten, doch LEIDER lehrt die Erfahrung, dass Dinge innerhalb von  Millisekunden verschwinden, ja, meist tauchen sie sogar wieder auf, aber oft eben einfach JAHRE später, wie Timmys Piratenkopftuch, das Mario im Sommer 2012 (!) in meinem Kleiderschrank versteckt hatte und das wir seither vermisst hatten). Meine Drohung: absolutes und totales Medienverbot, bis Cinderella ihren Schuh wieder anziehen kann, klar? Panik ist angesagt und alle robben auf dem Boden herum, aber, hab ich’s nicht gesagt, ein Barbieschuh ist weg! Verschwunden! Vom Erdboden verschluckt! Schließlich suchen wir alle unter Zuhilfenahme von Taschenlampen das Sofa ab, aber weg ist weg.
Ich blicke auf den zertrümmerten Puppenwagen und bin hart. Barbieschuh! Wenn ihr ihn herumschmeißen könnt, könnt ihr ihn auch wieder finden. Selbst Sachensucher-Timmy, der normalerweise alles findet, ist hier überfordert.
Mario schlägt vor: „Ich bastle ihr neue Schuhe!“
Wir fragen Felicitas.
Felicitas ist einverstanden.
Ok, Barbieschuh-Man, es geht los!!!

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