Haha. Naja, man
wird ja noch mal träumen dürfen. Also: Man kommt nach Hause und die Schulsachen
werden gemeinsam mit Jacke, Mütze etc. auf einen dekorativen Haufen in den Flur
gepfeffert. Dann falle ich drüber und meckere/nörgle/schimpfe, was das Zeug
hält. Aber das Gehör meine Söhne hat den Defekt/die Gabe, dass die Nörgelfrequenz
ebenso wie Lehrerinnenbeschallung praktisch mühelos herausgefiltert wird und
auf Interessantes umgelenkt. Idealerweise mit einem möglichst großen
Bildschirm. Leider hat die böse MACHT Mama da den Daumen drauf. Aber es gibt ja
auch noch andere schöne Dinge im Leben. Zum Beispiel: Wir schmeißen uns mit
Schmackes auf den Bruder und prügeln uns, dass die Schwarte kracht! Oder wir
gehen beleidigt in ein Zimmer und sperren uns ein – Nörgelfrequenz: „Lass da
bitte, Du kommst dann nicht mehr raus“ erfolgreich ausgeblendet.
Kurze Zeit
darauf eilt Sohn 1 herbei: „Mama, Timmy hat sich eingesperrt und kommt da nicht
mehr raus.“ Welch eine Überraschung! Und: Das Zeit-Management ist perfekt! Ich
stehe nämlich am Herd, vier von vier Platten im Einsatz. Es macht mir jetzt
nicht SO VIEL aus, dass ein Unruhestifter im Verließ ist, aber ich muss ihn da
rauslotsen, bevor er ernsthaft die Panik bekommt, sonst haben wir ein PROBLEM.
Also kommt es,
wie es kommen muss: Ich rase hin und her, rühre schnell um, linse durchs
Schlüsselloch, „Du musst den Schlüsssel richtig hineinstecken!!!“, schnell zurück
und herunterschalten, bevor das überkocht, was auch immer es ist, „Bitte GANZ
rein! Und dann umdrehen!“ Ich müsste noch mal kurz überlegen, in welche
Richtung, aber Felicitas schreit: „MAAAMAAA! KAKA!“ Ok, kurze Schleife zum
Hinternabwischen, der Gefängnisinsasse ist noch ruhig. Was machen meine
kulinarischen Highlights? Ich rechne noch mal nach, wer wie viele Fischstäbchen
wollte. Zum Glück ist mein Mann jetzt da, er coacht unser Käfigkind, bis es
selbstständig herauskommt. Warum ich deswegen nicht durchdrehe: Ist schon unter
weit widrigeren Umständen passiert (Highlight einmal im Urlaub: Befreiung nur möglich
mit Hilfe eines sehr dünnen und gelenkigen Helfers, der durch eine Luke oben im
WC krabbeln konnte). Irgendwie haben wir bisher alle ohne Einsatz der Feuerwehr
rausgekriegt.
Ach ja… eigentlich
wollen wir uns ja um die Hausaufgaben kümmern. Der Älteste erklärt voll Stolz,
dass er derzeit (angeblich) kontinuierlich Hausaufgaben erledige. Jackpot!
Leider sind die Elaborate kurzzeitig verschwunden, so dass ich sie nicht
wirklich zu Gesicht bekomme. Die suche ich nachher! Also, wenn ich das
Käfigkind beruhigt und alle bewirtet habe, einschließlich komplett
fassungslosen Gastkinds (Mädchen, 3 Fischstäbchen, Einzelkind, geringe Herumprügel- und Gefängniserfahrung).
Na gut, EIGENTLICH
können mir die Hausaufgaben ja wurscht sein, oder? Stichwort Eigenverantwortung.
Eine gute Sache, würde man denken, nicht wahr? Eigenverantwortung lernen. Mann,
das klingt ja sowas von prima! Kriegt er halt Ärger in der Schule. Wird er ja
was draus lernen. Theoretisch richtig, aber:… Kurze Zeit nach dem Vergehen
trudeln erste, aber ernste Benachrichtigungen an MAMA ein. Kind hat seine
Hausaufgaben MEHRMALS nicht vollständig erledigt. Kind verhält sich
ungebührlich. Kind hat sein Federmäppchen nicht ausreichend bestückt, MAMA soll
sich darum kümmern. MAMA soll in die Sprechstunde kommen. MAMA, mach mal!
Kümmere Dich endlich mal um Deine missratene, vernachlässigte Brut! Das hört
MAMA natürlich überhaupt nicht gerne. Und schon ist MAMA
Federmäppchen-Beauftragte, Nachhilfelehrerin, Sozialpädagogin,
ferndiagnostische Schulberaterin etc. pp. Komisch nur, dass es hierzulande ja
von missratener, vernachlässigter Brut nur so wimmelt.
Eine Mama hat
mir nach drei Monaten Schule ein komplett vollgeschriebenes sog. Mitteilungsheft
mit Lehrer-Prosa zum Fehlverhalten ihres Sohnes gezeigt. Und das ist ein ganz
normaler Junge. Dachte ich. Aber das dachte ich von meinen Jungs ja auch! Und
von Michael und von Ali und von Leon und von Jonas und von Max und von Gabriel und
von … etc. pp. auch (Namen rein fiktiv)! Und jetzt kommt heraus, die sind alle
schwer vernachlässigt/missraten/behandlungsbedürftig! Alle Mamas seufzen
schwer. Und fügen sich in ihren Job als Federmäppchen-Beauftragte,
Nachhilfelehrerin, Sozialpädagogin, ferndiagnostische Schulberaterin etc. pp.
Und was machen
die Kinder, deren Mütter ihren Kindern nicht erklären können, was eine
Auslautverhärtung ist? Weiß ich nicht. Müssen ohne Auslautverhärtung
klarkommen.
Ein paar
Schlagworte: Pisa-Schock, Bildungsreform, gleiche Chancen für alle etc. pp.
Also, die üblichen Sonntagsreden. Bei uns gab’s nicht den Pisa-Schock, sondern
den Pilz-Schock. Mein Gedächtnis, das in schulischen Belangen doch ein wenig
lückenhaft geworden ist, gab anlässlich des Schulstoffs meines Sohnes, einen
Blick auf einstmals Gelerntes frei: Ja, genau, diesen endlangweiligen Stoff
hatte ich auch! Ihr wisst schon, damals in der STEINZEIT! Da gab’s auch schon
Pilze! Mit einem Myzel. Dieses Wort habe ich seit dem bewussten Tag in der 3.
Klasse NIE wieder benutzt, bis zu dem entscheidenden Moment, als ich beschloss,
meinen Sohn mit Heimat- und Sachkunde zu foltern. Naja, ich hatte immerhin als
Kind noch praktische Erfahrung im Pilzsammeln mit den Eltern und Großeltern
(Letzere waren als Kriegsgeneration natürlich firm in Pilzkunde), seit Tschernobyl
hat das Thema einfach einen gewissen Einschnitt erhalten, von dem es sich
hierzulande nicht wirklich erholt hat. Ehrlich, ich werde auch keine Pilze
sammeln, weil ich zwar weiß, was ein Myzel ist, aber… sonst!?
Also, alt wie
ich bin, herrscht in mir à propos Reformfähigkeit mancher Systeme eine gewisse
Abgeklärtheit. Ok, das dauert dann halt noch dreißig Jahre. Oder hundert. Wir
bläuen uns jetzt diese Pilze einfach ein. So schlimm finde ich das auch nicht,
auch wenn Lernen mit Spaß natürlich mehr bringt. Aber manchmal muss ein Cowboy
auch einfach das tun, was getan werden muss. Aber irgendwie herrscht doch ein
Unbehagen, wenn der Cowboy ständig auf Mamas Federmäppchenfolterdienst
angewiesen ist. Das kann’s eigentlich nicht sein… oder? Hallo Lucky Luke! Wenn
Du jetzt nicht SOFORT dein Federmäppchen aufräumst, DREHE ICH DURCH! VIELE GRÜßE!
MAMA
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