Ist der Tag nicht herrlich? Wunderbare
glitzernde Schneelandschaften in strahlendem Sonnenschein. Endlich
Schnee nach der ganzen trüben Tristesse!
Heute möchte ich meinen
Kindern eine Freude machen: Wir sind zum Schlittenfahren verabredet! Der
Rodelhügel ist fast in Sichtweite von uns, um genauer zu sein, 500
Meter Luftlinie. Ganz so spontan ist das alles bei uns natürlich nie,
aber dank ihrer Größe sind alle Schlitten auffindbar, dazu noch drei
Helme, drei schlimme Getränke (die Papa gekauft hat) und ein paar Kekse. Mario sollte, wie ich ihm morgens eingeschärft hatte, um Viertel nach
drei vor der Tür stehen, seine Schultasche zu Haue abladen und mir mit
den Schlitten helfen, denn die Wege sind teilweise schneefrei. 15.20:
Äh! Wo ist der Junge? 15.25: Wo ist der Junge?
Planänderung: Ich
hole ihn ab. Ich mache mich mit den drei Schlitten auf. Bin mal
gespannt, wie ich das mache, wenn auch noch der Buggy von Felicitas dabei
ist. Aber naja, ich habe das Bild vor mir, wie Mario neulich wie eine
angesengte Sau mit den drei Schlitten herumgeflitzt ist, die er flugs
miteinander verbunden hatte.
Ha, da sehe ich ihn auch schon! Doch
statt der Flitzmaschine trottet mir hier ein sehr kranker und sehr müder
Esel entgegen. Ich drücke ihm die Schlitten in die Hand und
Flitzmaschine Mama flitzt mit der Büchertasche nach Hause, schmeißt
diese zur Tür rein und flitzt wieder zurück. Ich winke Mario freudig zu:
Auf geht’s zum Schlittenfahren! Müdes Winken zurück. Na, zieh mal die
Schlitten. Langsam hebt er eine Hand und nimmt einen Schlitten. Den Rest
darf ich tragen. Wenn wir auf der Wiese im Schnee sind, geht es
schneller… ODER? Was rege ich mich auf, sollte ich nicht langsam wissen,
dass man mit Kindern Geduld haben muss. MARIO! Was ist los! JETZT MACH
MAL VORAN! Ich hüpfe wild im Schnee herum.
„Ich hab Durst!“, höre ich es von weit hinten maulen.
„Du hattest doch eine Wasserflasche in der Schule dabei, oder?“
„Die ist ja noch ganz voll.“
„Na prima!“
„Aber die ist noch in meiner Büchertasche! Können wir noch mal nach Hause gehen?“
Leider haben wir jetzt nicht noch eine weitere halbe Stunde Zeit.
„Hast Du Wasser dabei?“, fragt er.
Seufz. „Du kriegst einen Saft, wenn wir am Rodelhügel sind, ok?“
Leider beschleunigt die Aussicht auf den ZUCKERsaft seine Schritte nicht um einen Deut.
Ich nehme ihm den Schlitten aus der Hand, staple alle drei Schlitten
aufeinander und ziehe. Mario beobachtet mich interessiert. Plumps! Die
Schlitten liegen im Schnee.
„Warst Du das?“, frage ich leicht erbost.
„Nein, das warst DU!“
Kann nicht sein! Ich staple sie wieder und behalte meinen Sohnemann
genau im Auge. Äh, er hat Recht. Das war ich. Mein ausgeklügeltes
Schlitten-Stapel-System funktioniert merkwürdigerweise nicht.
Ich nehme alle drei Schlitten unter den Arm und stapfe voran. Felicitas muss aus ihrer Gruppe abgeholt werden.
Das verläuft reibungslos, wenn man von einem Tobsuchtsanfall absieht.
Aber den hat ihre kleine Freundin, weil Felicitas so eine schöne
Sonnenbrille hat und sie nicht. Felicitas strahlt. Ich auch. Natürlich, wir
sind jetzt seit einer halben Stunde unterwegs und haben uns unserem Ziel
eher entfernt als genähert, aber wir nähern uns der Zielgeraden, unter
leicht erschwerten Bedingungen (Kind 2 plus Buggy). Der lahme Esel
schlurft mit gesenkten Kopf hinter uns her.
„Mama, hast Du Wasser?“
Seufz. Wir führen die Unterhaltung von eben in identischer Weise noch
mal. Den Saft rücke ich auf keinen Fall raus! Mein Wasserträger soll den
Buggy, jetzt beladen mit zwei Schlitten und den Helmen schieben,
während ich Felicitas auf dem Schlitten ziehe bzw. trage, wenn das aus
Schneemangel nicht möglich ist. Felicitas will natürlich lieber die ganze
Zeit auf dem Schlitten sitzen. Ich ignoriere das Gejammer.
Nächste
Station Kindergarten: Mario muss draußen neben der
Buggy-Schlitten-Konstruktion warten, ich gehe mit Felicitas hinein und hole Timmy. Flitzmaschine Timmy flitzt zu seiner Garderobe und ich warte auf
ihn. Ich warte auf ihn. Ich warte auf ihn. Was ist da los? Macht er
irgendwelchen Blödsinn? Ich nehme Felicitas auf den Arm und suche ihn.
Genauso wie heute Morgen hat er seine Stiefel vor der Schneehose
angezogen, mit dem Ergebnis, dass er die Hose nicht darüberbekommt. Er
sitzt nun da und wartet geduldig darauf, dass die Hose über die Stiefel
wächst. Seufz.
Mir kommen langsam Zweifel bezüglich der
Plausibilität meines Planes „Lustiges Rodeln“. Nachdem ich Timmy endlich
angezogen und Felicitas wieder eingefangen habe, gehen wir hinaus zum Lahmen
Esel. 45 Minuten seit Aufbruch. Wir müssen jetzt ca. 200 Meter Straße
bis zur geschlossenen Schneedecke überwinden. Dies hat die Jungs
anscheinend derart entkräftet, dass ich mich dazu veranlasst sehe, den
Saft rauszurücken (Der Rodelhügel mit den anderen Kindern ist in
Sichtweite! Juhu!). Ich lege allen Klumpatsch ab und gebe die Säfte
aus. Lustiges Saftspritzen und: schlürf! Alles wieder einsammeln und
weiter. Stellt sich heraus (welche Überraschung), dass es mit dem Buggy
und Tiefschnee ein bisschen schwierig wird, aber wir erreichen unser
Ziel bereits 60 Minuten nach Aufbruch! Und was soll ich sagen, wir haben
eine meiner Freundinnen, die ebenfalls mit drei Kindern unterwegs ist,
locker abgehängt. So schnell sind wir!
Das Rodelvergnügen kann
losgehen! Ich setze Felicitas und mich auf den Schlitten und wir fahren
einen Minihügel zusammen herunter. Das Gekreisch, das jetzt losgeht, ist
ohrenbetäubend und hört auch nicht mehr auf. „Nach Hause! Nach Hause!“
brüllt das Mädel unter großen Tränen, sobald sie sich nach einer
weiteren Viertelstunde Drama-Heulen wieder soweit beruhigt hat, dass sie
sprechen kann. Seufz. Immerhin sind die Jungs glücklich. Mario macht
irgendwelche Stunts auf der Rodelbahn und Timmy hüpft unter den Bäumen
herum. Goldig!
Halt mal, er kommt mit leicht verzerrtem Gesicht auf mich zu.
„Mama, ich muss aufs Klo.“
Ich verlange nach Spezifizierung. Seufz. Auch das noch.
„Mama, ich will nach Hause.“
Kein Problem, ich rufe schnell den Kaka-Rettungshelikopter an. Oder ich
verfolge eine Freundin, die ich eben auf dem Heimweg vom Rodelhügel
getroffen habe, die darüber klagte, dass „man den Kindern ja nur eine
Freude machen wollte! Alle anderen freuen sich, nur meine Kinder machen
Terz! Wir gehen heim! Wiedersehen!“ Das ist ja normalerweise mein
Spruch, daher laufe ich ihr fröhlich in ihr nahe gelegenes Heim nach und
bitte um Eintritt. Das Ganze dauert ein wenig, wir haben ja wieder das
Thema Schuhe-vor-Schneehose bzw. nach getaner Arbeit
Schneehose-vor-Schuhen, aber bereits 85 Minuten nach Start sind wir
jetzt DEFINITIV am Rodelhügel!
Herrlich! … Also, da sich Felicitas
nunmehr weigert, den Buggy nur noch annähernd zu verlassen, muss ich den
auch noch hügelan schieben.
Timmy fragt: „Mama, wann gehen wir endlich nach Hause?“
Seufz. „Weiß ich nicht!“ Mario ist währenddessen völlig in seinem
Element. Timmy hat sich immerhin ein neues Projekt gesucht: Im Schnee
herumliegen und andere um Essen und Trinken anbetteln. Man könnte sich
jetzt fragen, warum ich so viele Schlitten dabei habe, aber, wie gesagt,
mit Kindern muss man Geduld haben.
95 Minuten nach Aufbruch wagt
sich auch Timmy an erste Rodelversuche! Juhei! Mario ruft: Juhei! Und 115
Minuten nach Aufbruch schreie ich: Juhei! Ich sitze auf meinen alten
Kinderschlitten und rase den Berg hinunter! Juhei! Juhei!
Leider ist es jetzt so kalt, dass wir nach Hause müssen, bevor Felicitas im Buggy zu einer Eisskulptur gefriert.
„Felicitas, möchtest Du morgen wieder Schlittenfahren gehen?“
„JAAAAA! Schlitten fahren! Schlitten fahren!“
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