Montag, 30. Juni 2014

Kinder-Ernährung leicht gemacht

Kinder-Ernährung leicht gemacht
Neulich habe ich einen Artikel gesehen, in dem ein Blog über Kinder-Ernährung vorgestellt wurde. Wunderbar appetitliche Fotos von Spinatgnocchi, Süßkartoffel-Pommes etc. pp. Sehr sehr schön. Noch schöner wäre es natürlich, wenn die jemand für mich machen würde, denn leider muss ich immer wieder feststellen, dass meine Kinder von mir verarbeiteten Lebensmitteln nicht wirklich offen gegenüberstehen. Salat wird erst mal abgescannt: „Sind da Haare (=frische Kräuter, die ich liebevoll auf dem Balkon selbst ziehe) drin?“ Das wage ich selbstverständlich nicht! – Misstrauisches Herumstochern: „Was ist das?“ Ein würfelförmiges helles Stück wird aufgespießt und hervorgefischt. Nein, Mario, kein kleingeschnittene Schnecke, auch kein Säuglingsfinger, sondern das exotische Gemüse GURKE! Hallo! „Kannst Du den Salat noch ERFRISCHEN, so wie Oma das immer macht, dann esse ich ihn.“ (Kann ich ehrlich gesagt nicht.) „Ok (Seufz). Dann gib mir halt Salz.“ Timmy isst sicherheitshalber ohnehin nur aufgeschnittenes Gemüse, das genau erkennbar ist, damit ich ihm nicht etwa heimlich von mir nachts sezierte außerirdische Lebensformen unterjuble.
Jedes Mal wenn ich den Speiseplan im Kindergarten sehe – wo das Essen übrigens ganz köstlich sei! –, treibt es mir fast die Tränen in die Augen. „Dinkel-Spaghetti mit Gemüse-Bolognese.“ Das hieße zu Hause wahrscheinlich „Dreckige Nudeln mit Kotze“. Also (wie gefühlt jeden Tag) doch wieder weiße Spaghetti mit Ketchup, bzw. an besonders experimentierfreudigen Tagen mit einer pürierten Dose Tomaten. Ein besonderer Triumph fand daher neulich am Spielplatz statt: Ein Papa ist dort mit seiner Tochter, die NIEMALS und NIE Bananen esse. „Liebe Kleine, möchtest Du von einer ganz fremden Frau eine Banane?“ „JAAA!“
Sind das jetzt besonders verwöhnte Blagen, denen ihre übervorsichtigen Eltern keine Regeln setzen und jeden noch so affigen Wunsch von den Augen ablesen? In unserem Fall: Nein, eigentlich passt alles, sie sind weder zu dick noch zu dünn, essen genug Obst und Gemüse, wenig Süßigkeiten, wer das Essen von Mama nicht will, isst ein Butterbrot oder einen Apfel. Ja, danke der Nachfrage, hier werden viele Butterbrote und Äpfel verzehrt. Man isst mit Leidenschaft ein paar Standardgerichte wie Kartoffel mit Spinat, Spaghetti mit Tomatensoße, Pommes Frites, Fischstäbchen, Pfannkuchen und ähnliche Haute Cousine. Mit großer Mühe haben wir – was auf sehr wackeligen Füßen steht – die Kinder dazu gebracht, auch Bohnen mit Reis zu essen, den berühmten mittelamerikanischen gallo pinto. Zur Erklärung: In Mittelamerika kann man Bohnen früh, mittags und abends essen, und zwar jeden Tag. Jeder liebt Bohnen, das muss so sein und ist ein Naturgesetz. Man scheut sich nicht, den Koffer auf der Heimreise mit mehreren Kilo Bohnen zu füllen, um dann mit liebevollem Stolz in einem Tonfall zu verkünden, als handele sich um kostbare Rohdiamanten: „Traje frijoles!“ (Ich habe Bohnen mitgebracht!). Nur ein sehr guter Freund, der sich langjährig bewährt und einem beispielsweise eine Niere gespendet hat, würde etwas davon abbekommen. Ein bohnentechnische Laie, wie der gemeine Deutsche es ist, könnte jetzt sagen: Hier gibt es doch auch Bohnen zu kaufen! Ja, schon, aber das sind doch nicht die RICHTIGEN (qualvolles Aufstöhnen angesichts von so viel Ignoranz)!
Bei so einer identitätsstiftenden Angelegenheit müssen die Kinder mitziehen, haben wir beschlossen. Also gleich nachdem der erste Möhrenbrei durch war, gab’s pürierte Böhnchen (der deutsche Ernährungsberater für Säuglinge schreit jetzt auf: Das bläht doch so furchtbar! – Dazu kann ich nach drei Kindern selbstbewusst antworten: Bei Dir vielleicht!). Anschließend tägliche Gehirnwäsche, dass ausschließlich Bohnen für die nötige Muskelkraft sorgen, sonst würde man vor Schwäche schlichtweg krepieren. – Gut, wenn die Alten so ein Bohei drum machen, verdrücken wir halt mal ab und zu ein Böhnchen. Das muss ja wohl reichen.
Ich muss sagen, ich habe durchaus ambitioniert angefangen, da ich ja auch gern koche. Gläschenkost fand ich ungut, daher habe ich kleine Portiönchen Gemüse püriert. Anfangs lief das auch alles richtig gut. Die Kinder probierten und aßen einfach alles! Höhö, geht doch! Die Kinder müssen eben nur an das Richtige herangeführt werden! Nicht immer gleich die Industrienahrung und überzuckertes Zeug reinschieben, gell ... Tja, dann entwickelte sich ein Grundproblem, das man gemeinhin „eigener Wille“ nennt.
Mein erster Misserfolg waren selbst gemachte Falafel. Falafel: Kichererbsen in einem gut sortierten Supermarkt oder beim Türken kaufen und zwei Tage lang in Wasser keimen lassen, dann die Kichererbsen sehr lange kochen, dann nur noch mit verschiedenen Zutaten mischen, das Ganze durchpürieren und in der Pfanne braten. Geht ja ganz fix, oder? Mario (damals zwei) hat dann sogar einen ganzen halben Teelöffel davon verspeist!!!! Dann war der Mund zu. Und mein Mann und ich mussten danach sehr, sehr viele Kichererbsen essen.
Was ist die Moral von der Geschicht? Also, Punkt 1: Wir machen keine Falafel mehr. Punkt 2: Wir Eltern essen weiterhin mit großer Freude unseren unerfrischten Haar-Salat mit Säuglingsfingern und pürierten Außerirdischen, sondern pädagogische Top-Sprüche ab wie „Die Kinder in Afrika haben gar nichts zu essen und würden froh sein, so tolle Bohnen zu bekommen!“ und fügen uns in unser Schicksal, dass unsere kulinarischen Ambitionen – Spinatgnocchi! Haha! Guter Witz! – nicht gewürdigt werden. Aber einen Vorteil gibt es: „Timmy, ich hab Hunger, schmier mir bitte ein Butterbrot! Und wasch mal gleich die Äpfel!“ Läuft wie geschmiert!