Kinder-Ernährung leicht gemacht
Neulich habe ich einen Artikel gesehen, in dem ein Blog über
Kinder-Ernährung vorgestellt wurde. Wunderbar appetitliche Fotos von
Spinatgnocchi, Süßkartoffel-Pommes etc. pp. Sehr sehr schön. Noch
schöner wäre es natürlich, wenn die jemand für mich machen würde, denn
leider muss ich immer wieder feststellen, dass meine Kinder von mir
verarbeiteten Lebensmitteln nicht
wirklich offen gegenüberstehen. Salat wird erst mal abgescannt: „Sind da
Haare (=frische Kräuter, die ich liebevoll auf dem Balkon selbst ziehe)
drin?“ Das wage ich selbstverständlich nicht! – Misstrauisches
Herumstochern: „Was ist das?“ Ein würfelförmiges helles Stück wird
aufgespießt und hervorgefischt. Nein, Mario, kein kleingeschnittene
Schnecke, auch kein Säuglingsfinger, sondern das exotische Gemüse GURKE!
Hallo! „Kannst Du den Salat noch ERFRISCHEN, so wie Oma das immer
macht, dann esse ich ihn.“ (Kann ich ehrlich gesagt nicht.) „Ok (Seufz).
Dann gib mir halt Salz.“ Timmy isst sicherheitshalber ohnehin nur
aufgeschnittenes Gemüse, das genau erkennbar ist, damit ich ihm nicht
etwa heimlich von mir nachts sezierte außerirdische Lebensformen
unterjuble.
Jedes Mal wenn ich den Speiseplan im Kindergarten sehe –
wo das Essen übrigens ganz köstlich sei! –, treibt es mir fast die
Tränen in die Augen. „Dinkel-Spaghetti mit Gemüse-Bolognese.“ Das hieße
zu Hause wahrscheinlich „Dreckige Nudeln mit Kotze“. Also (wie gefühlt
jeden Tag) doch wieder weiße Spaghetti mit Ketchup, bzw. an besonders
experimentierfreudigen Tagen mit einer pürierten Dose Tomaten. Ein
besonderer Triumph fand daher neulich am Spielplatz statt: Ein Papa ist
dort mit seiner Tochter, die NIEMALS und NIE Bananen esse. „Liebe
Kleine, möchtest Du von einer ganz fremden Frau eine Banane?“ „JAAA!“
Sind das jetzt besonders verwöhnte Blagen, denen ihre übervorsichtigen
Eltern keine Regeln setzen und jeden noch so affigen Wunsch von den
Augen ablesen? In unserem Fall: Nein, eigentlich passt alles, sie sind
weder zu dick noch zu dünn, essen genug Obst und Gemüse, wenig
Süßigkeiten, wer das Essen von Mama nicht will, isst ein Butterbrot oder
einen Apfel. Ja, danke der Nachfrage, hier werden viele Butterbrote und
Äpfel verzehrt. Man isst mit Leidenschaft ein paar Standardgerichte wie
Kartoffel mit Spinat, Spaghetti mit Tomatensoße, Pommes Frites,
Fischstäbchen, Pfannkuchen und ähnliche Haute Cousine. Mit großer Mühe
haben wir – was auf sehr wackeligen Füßen steht – die Kinder dazu
gebracht, auch Bohnen mit Reis zu essen, den berühmten
mittelamerikanischen gallo pinto. Zur Erklärung: In Mittelamerika kann man Bohnen früh, mittags und
abends essen, und zwar jeden Tag. Jeder liebt Bohnen, das
muss so sein und ist ein Naturgesetz. Man scheut sich nicht, den Koffer auf der Heimreise mit mehreren Kilo Bohnen zu
füllen, um dann mit liebevollem Stolz in einem Tonfall zu verkünden, als
handele sich um kostbare Rohdiamanten: „Traje frijoles!“ (Ich habe
Bohnen mitgebracht!). Nur ein sehr guter Freund, der sich langjährig
bewährt und einem beispielsweise eine Niere gespendet hat, würde etwas
davon abbekommen. Ein bohnentechnische Laie, wie der gemeine Deutsche es
ist, könnte jetzt sagen: Hier gibt es doch auch Bohnen zu kaufen! Ja,
schon, aber das sind doch nicht die RICHTIGEN (qualvolles Aufstöhnen
angesichts von so viel Ignoranz)!
Bei so einer identitätsstiftenden
Angelegenheit müssen die Kinder mitziehen, haben wir beschlossen. Also
gleich nachdem der erste Möhrenbrei durch war, gab’s pürierte Böhnchen
(der deutsche Ernährungsberater für Säuglinge schreit jetzt auf: Das
bläht doch so furchtbar! – Dazu kann ich nach drei Kindern selbstbewusst
antworten: Bei Dir vielleicht!). Anschließend tägliche Gehirnwäsche,
dass ausschließlich Bohnen für die nötige Muskelkraft sorgen, sonst
würde man vor Schwäche schlichtweg krepieren. – Gut, wenn die Alten so
ein Bohei drum machen, verdrücken wir halt mal ab und zu ein Böhnchen.
Das muss ja wohl reichen.
Ich muss sagen, ich habe durchaus
ambitioniert angefangen, da ich ja auch gern koche. Gläschenkost fand
ich ungut, daher habe ich kleine Portiönchen Gemüse püriert. Anfangs
lief das auch alles richtig gut. Die Kinder probierten und aßen einfach
alles! Höhö, geht doch! Die Kinder müssen eben nur an das Richtige
herangeführt werden! Nicht immer gleich die Industrienahrung und
überzuckertes Zeug reinschieben, gell ... Tja, dann entwickelte sich ein
Grundproblem, das man gemeinhin „eigener Wille“ nennt.
Mein erster
Misserfolg waren selbst gemachte Falafel. Falafel: Kichererbsen in
einem gut sortierten Supermarkt oder beim Türken kaufen und zwei Tage
lang in Wasser keimen lassen, dann die Kichererbsen sehr lange kochen,
dann nur noch mit verschiedenen Zutaten mischen, das Ganze durchpürieren
und in der Pfanne braten. Geht ja ganz fix, oder? Mario (damals zwei)
hat dann sogar einen ganzen halben Teelöffel davon verspeist!!!! Dann
war der Mund zu. Und mein Mann und ich mussten danach sehr, sehr viele
Kichererbsen essen.
Was ist die Moral von der Geschicht? Also,
Punkt 1: Wir machen keine Falafel mehr. Punkt 2: Wir Eltern essen
weiterhin mit großer Freude unseren unerfrischten Haar-Salat mit
Säuglingsfingern und pürierten Außerirdischen, sondern pädagogische
Top-Sprüche ab wie „Die Kinder in Afrika haben gar nichts zu essen und
würden froh sein, so tolle Bohnen zu bekommen!“ und fügen uns in unser
Schicksal, dass unsere kulinarischen Ambitionen – Spinatgnocchi! Haha!
Guter Witz! – nicht gewürdigt werden. Aber einen Vorteil gibt es: „Timmy,
ich hab Hunger, schmier mir bitte ein Butterbrot! Und wasch mal gleich
die Äpfel!“ Läuft wie geschmiert!