Mittwoch, 20. Mai 2015

König Fußball



Habe ich schon erwähnt, dass Sohn Nr. 2 derzeit ins Fußballtraining geht? Trotz des „geringfügigen“ logistischen Aufwandes finde ich das gut – Fußball =  Mamas Traum (Bewegung, frische Luft, weg von der Glotze). Die gute Nachricht: Der Fußballverein ist ganz in unserer Nähe. Die schlechte: Das bringt mir auch nicht so viel - die Formel für Entfernungsberechnung mit Kindern lautet: Meter mal Kinderanzahl hoch 3. Denn die anderen Kinder muss ich ja mitnehmen, wenn ich Timmy dorthin bringe.
Interessanterweise gilt das Begleiten und Warten in abgehalftert wirkenden und abgeranzten Schulgebäuden bei Sportkursen als äußerst unterhaltsam und rangiert unter den absoluten Top Five der Freizeitgestaltungen überhaupt – was braucht man da noch Freizeitparks und Zoos, wenn man das hat! Auch bei mir selbst übrigens: Wenn ich die anderen Kinder mal nicht mitnehmen muss, da anderweitig verräumt, habe ich dort unendlich viel Zeit und Muße für meine Hobbys! Allerdings gelingt mir das äußerst selten wegen des hohen Freizeitfaktors für die anderen Kinder – was die da machen, fragt Ihr? Na, durchdrehen halt! Was sonst! Wenn die spitzkriegen, wohin die Reise geht, kann ich meine Freizeit vergessen! Also, heute wird es auch nichts mit Mamas Vergnügungen. 

Der Flitzinator Timmy ist hochmotiviert und saust mit mir los. Felicitas ebenfalls, wobei sie ist eher breit gestreut motiviert ist: Es geht in erster Linie um Akrobatik und einen Buggy sowie ein Brötchen und einen Schirm. Die Konstruktion hält.

Kaum sind wir am Schultor angelangt: Felicitas will den Kinderwagen mit Mama die Treppen herauftragen. Idealerweise zeitgleich noch Straßenmalkreisen durch die Gegend schmeißen. Und … und…Ich ignoriere ihre weiteren tausend Wünsche und schaue, dass Timmy in die Umkleide geht.

Ich hänge mit Mario und Felicitas vor der Turnhalle herum, allerdings nicht lange, da Felicitas unbedingt Fußball spielen will, d.h. in die Turnhalle hineingehen. Ich schärfe ihr ein, sich NICHT unter die Fußballer zu mischen, sondern am Rand zu spielen. Komischerweise hält sie sich dran, jammert aber, dass sie keinen Ball hat – naja, ok, Fußball spielen ohne Ball ist ein bisschen ungewöhnlich, geb ich ja gern zu – hier ist logistisch eindeutig noch Luft nach oben. Felicitas will wieder raus und auf die Toilette. 
Schultoiletten sind was Fieses. Man möchte sich eigentlich in einen Ganzkörper-Hygienehandschuh einwickeln. Luxusgüter wie Toilettenpapier oder Seife gibt’s natürlich nicht, wir sind ja hier nicht im Hotel. Ich versuche einfach, nichts anzufassen und nichts anzuschauen – immerhin sorgt die Gänsehaut bei mir vorübergehend für einen klimatischen Ausgleich. Wieder rein in die Turnhalle. Dann will Felicitas wieder raus und Wasser holen. Wir gehen raus und holen Wasser. Wir gehen wieder rein. Dann holen wir noch eine andere Flasche Wasser. Warum? Keine Ahnung. Meine Willenskraft ist – wahrscheinlich geschwächt durch den Besuch der Schultoilette –  ein bisschen erlahmt. Die absolute Krönung: Felicitas hat in der Turnhalle plötzlich keine Hose mehr an, sondern rennt in Unterhose herum. Die Flitzerin genießt ungeteilte Aufmerksamkeit! Moment mal! Was ist passiert? Erfahren wir auch sofort: Kreisch-Alarm: Hose nass! Irgendwie kein Wunder, wenn man mit zwei offenen Wasserflaschen jongliert, wenn man mich fragen würde (tut man aber nicht). Heul! Zum Glück haben wir zufällig noch eine Matschhose im Gepäck. Wir ziehen uns in der Vorhölle, äh Vorhalle um. Matschhose gefällt nicht, Felicitas ist wieder nackig. Hausmeister-Kommentar: „Wenn das schon so früh losgeht...“ Schenkelklopf. Schenkelklopfer sind mir aber noch lieber als Bademeister-Kommentare, als Felicitas im Alter von 15 Monaten mal im Babybecken kurz nackig war (Barsch-Herumnörgel: "Das Kind muss angezogen sein! Badeordnung!!!“), daher lächle ich den jovialen Hausmeister freundlich an.

Ich biete Felicitas an, dass sie Timmys Jeans anziehen kann, der hat ja noch seine Trainingshose. Jaa, Jubel. Wir gehen in die Umkleide und ziehen Timmys Jeans an. Begeisterung! … Nein, doch lieber: Heul! Langsam werde ich grantig. Sie will jetzt wieder die feuchte Hose anziehen. Wir ziehen die feuchte Hose an… dann die Matschhose…. Schwitz! Ich spreche jetzt ein Machtwort (SUPER-HEUL!). Wieso schwitze ich so, obwohl ich ja gar keinen Sport mache? Erschöpft sinke ich auf die Turnbank. Eine befreundete Mama reicht mir mitfühlend ein Bonbon. Sofort kommt Timmy dank eingebauten Bonbon-Radars von der anderen Seite der Turnhalle angeflitzt. Er streckt die Hand aus. Auch ein Bonbon! Nach dem dritten Mal Trainingsunterbrechung wegen Schnorrerei behaupte ich, die andere Mama hätte jetzt alle allein aufgegessen. Timmy verzieht sich angewidert („wenn Blicke töten könnten…“).

Mario ist zum Glück nicht so betreuungsintensiv und hängt bewegungslos vor der Turnhalle herum. Pro forma frage ich, ob er seine Hausaufgaben a) schon fertig hat und b) mir zeigen will. Reflexhaftes Kopfschütteln. Frage mich langsam, ob das eine Form von Genickstarre ist. Nein, nein und nochmals nein! Wir probieren mal, ob Nicken auch geht… Nein! (Frage: Wann geht eigentlich die Pubertät los? Oder ist das noch eine Endform der Trotzphase??? Zeit, sich mental auf einen absolut nahtlosen Übergang vorzubereiten.) Immerhin will er dann in die Turnhalle. Begeistert feuert er seinen Bruder an und kommentiert: „Timmy ist der Schnellste! Timmy ist der Beste!“ (Wahrscheinlich gibt es für dieses positive Feedback gleich eine Extraportion Prügel).

Timmy ist beflügelt. Er hat seine ca. 6 Monate andauernde Bock-/Beleidigt/Herumstink-Phase überstanden und ist ein reifes Vorschulkind, das eigentlich alles kann. Er zieht sich nach dem Training flitzibitzi allein um und kommt herausgerannt – in  der heutigen Zeit sind sechs Monate Geduld, dass sich jemand beruhigt, zwar eine lange Zeitspanne, aber das ist einfach so. Wird alles, Leute! Irgendwann… Auf dem Nachhauseweg will Mario, dass ich seine Schultasche trage. Ich trage bereits einen Rucksack und schiebe einen von oben bis unten brechend vollen Wagen. Disput. Irgendwann deponiere ich den Schulranzen resolut im Gras und stapfe weiter. „Du bist so gemein, Mama!“ Ich stapfe  - mittlerweile leicht angesäuert  – weiter voran.

Nachdem ich die Crew über die Kreuzung gelotst habe, sind die Jungs plötzlich verschwunden. Ich drehe mit meiner vollgepackten Karre noch eine Runde, sehe sie auch tatsächlich irgendwo im Hintergrund, naja: Sie finden ja allein nach Hause, ich geh jetzt nicht noch auf Kinderfang. Und sie sind auch wirklich bereits vor mir zu Hause. „Mama, Du hast uns allein gelassen!“, jammert mein Ältester. Jap. Armer Hasi. Werde mich umgehend im Camp für schwer erziehbare Mamas anmelden.

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