Mittwoch, 25. September 2013

Süper Haare

Süper Haare
Mein Ältester kommt ja bald in die Schule. Alles ist bereit, Schulranzen gekauft, Schultüte gebastelt, eifersüchtiger Bruder einigermaßen beruhigt. Nur eins noch: Mir fällt auf, dass ein neuer Haarschnitt mal wieder angebracht wäre, der kleine Große soll ja auch schön aussehen. Ich hole ihn also gemeinsam mit Felicitas schon früher aus dem Hort ab, während Timmy noch im Kindergarten ist, so können wir dies auch noch in Ruhe erledigen. Mario ist zwar willig, dennoch läuft er langsamer als ein alter fußlahmer Esel und benötigt außerdem während des ca. 1 Kilometer langen Fußweges eine Rast mit Brotzeit und eine Rast mit Turnpause, während der er einmal in einen Busch fällt und sich einmal die Knie aufschabt. Gut, eine gute halbe Stunde später sind wir auch schon da. Wir gehen heute mal nicht in den Salon, den ich der Einfachheit halber Turkish Süper Haare nenne, da die meist türkischstämmigen Besitzer sehr oft wechseln, sondern ich will was Anderes ausprobieren. Mein Sohn ist skeptisch. Im Haarmode-Salon werden wir von einer jungen gepflegten Dame freundlich begrüßt; auf einer Vielzahl von Friseurstühlen sind allerlei Omis, die sich die Haare ondulieren, Frauen, die sich die Haare mit Strähnen versehen lassen, bis in die Tiefen des Raumes aufgereiht. „Heute müssten Sie eine Stunde warten, aber wir können einen Termin ausmachen.“ „Mama, bitte nicht!“ Marios Blick ist voll Angst und Verzweiflung. „Bitte hier nicht. Hier gefällt es mir nicht. Ich will dahin, wo wir immer hingehen.“
Draußen läuft er traurig und mit hängenden Schultern neben mir her. Er tut mir richtig Leid. „Ok, wir gehen dahin, wo Du willst!“
Als wir dort sind, ist Mario gleich begeistert: „Da will ich hin!“ Ich frage eine nett aussehende rothaarige Frau mit russischem Akzent, ob es heute geht. „Ja, können Sie soforrt bei Kollägän!“ Sie zeigt nach links. Mir fallen fast die Augen raus: Vor uns steht ein bulliger, äußerst finster dreinblickender Orientale mit Armen wie Baumstämme, die über und über mit gruseligen Tätowierungen verziert sind. Und als er uns sieht, wird sein Blick noch viel finsterer. Ich habe ein bisschen Angst vor ihm, aber ich kenne meinen Sohn und weiß, dass so ein Coiffeur seines Vertrauens aussieht. Ich sehe zu Mario. Mario nickt. Godzilla hebt Mario (27 kg), als wäre er ein Wattebäuschchen, auf den Friseurstuhl mit einer Sitzerhöhung für Kinder. „Bitte ihm die Haare schneiden.“ Ich erkläre, dass Mario hinten einen Wirbel hat, blabla … Ich merke schnell, dass der Mann kein Wort versteht. Ok. Ob er Deutsch kann, kann mir eigentlich egal sein, da er eh nicht so aussieht, als würde er gern mit mir über die neuste Brigitte-Diät parlieren. Ich deute auf Mario und sage: „Haare!“ Ich hoffe, dass ihm aus dem Kontext des Friseursalons, in dem wir stehen, klar ist, dass er Mario die Haare schneiden soll, nicht Ohren abreißen oder sowas. „Erst Maschine“, droht er und macht sich unheilvoll dreinblickend ans Werk. Mario ist hochzufrieden. Das süperdüper Handy des Orientalen (?) beginnt während der zehnminütigen Prozedur ungefähr fünf Mal zu klingeln. Felicitas ist von dem ganzen Geschehen so fasziniert, dass sie vergisst, dass ich sie böserweise im Buggy festgeschnallt habe. Als er fertig ist, frage ich: „Können Sie noch einen Blitz hineinrasieren?“ Er blickt mich jetzt höllendüster an. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und male mit dem Finger einen Blitz an die Seite von Marios Kopf. Er dreht sich um und geht weg. Oh Gott, holt er eine Axt? Er kommt zurück mit einem Notizblock und Kuli, malt einige Striche und zeigt sie Mario. Mario schüttelt den Kopf. Godzilla gibt Mario den Kuli. Mario malt auch und dann male ich. Schließlich haben wir uns geeinigt, und das Werk wird vollendet. Dann geschieht es: Godzilla lächelt mich an! Dann lächelt Mario mit den Blitzen an den Schläfen und frisch geschnittenem Haar mich an, nur Felicitas weint ein bisschen, weil sie jetzt doch raus will. Ach, bei Turkish Süper Haare ist es halt doch am besten!

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